Hermann Peter Piwitts Prosa ist ganz verdichtete Erfahrung. Mit genauer Beobachtungsgabe und einem feinen Gespür für die Widersprüche menschlicher Existenz folgt er zwischenmenschlichen Verstrickungen und Konflikten.
Seine neue, nur 64 Seiten umfassende Novelle liest sich schnell und hallt doch lange nach, nimmt die Geschichte, die er erzählt doch ein nicht für möglich gehaltenes Ende.
Piwitt leiht seine literarische Stimme einer Frau. Wir erfahren von ihrem Vorleben wenig. Nach einer nichtssagenden und leidenschaftslosen Ehe mit Alexander, die durch dessen Unfalltod beendet wird (worüber sie nicht sehr betroffen scheint) geht sie auf vierzig zu und spürt, dass sie noch „eine ganze Menge Leben“ (K. Wecker) in sich hat. Sie hat Spaß am Sex mit wechselnden Männern, und eines Tages lernt sie auf diese Weise einen Mann kennen, der es ihr besonders angetan hat. Sie vögeln leidenschaftlich, wann immer sie sich sehen, unternehmen viele Reisen.
Eines Tages formuliert der Mann, Henrik, ein Schriftsteller, eine Fantasie:
„Ja, er möchte einmal zuschauen, wie ich mich von einem Fremden vögeln ließ. Wie ich mich an einen anderen verlöre, möchte er sehen sagte er, das Aufbäumen, das Zucken meines nackten Körpers unter seiner Umarmung erleben, wie sich meine Augen verschleierten und den letzten lange lasziven Blick im Moment der größten Lust bis auf den Grund auskosten; wie er mich zurechtlegte und –stellte, über mich verfügte, der Fremde, und ich über ihn.“
Immer wieder kommt der Mann auf diese Fantasie zurück, wenn er mit der Frau zusammen ist. Und eines Tages erfüllt sich sein Wunsch, doch er bezahlt einen hohen Preis …
Hermann Peter Piwitt hat eine Frau zur Ich-Erzählerin gemacht und seine männliche Geschlechtsgenossen aus einer ironischen und kritischen Perspektive in den Blick genommen. Die Frau bleibt in allen Phasen der Novelle souverän, sie lässt sich nicht zum Objekt machen und hat Freude an ihrem Körper und ihrer Sexualität. Dennoch spielt sie nicht mit den Männern. Sie lässt sich ein, doch es scheint, als sei sie für Männer einfach zu stark.
Eine dichte, schöne Prosa ist das, deren Lektüre Freude macht. So schön kann Sprache sein.