Rezension zu "Der Engel von Bremen" von Hermann Syzygos
Die Bremer Giftmischerin Gesche Gottfried ist vielen ein Begriff, nicht zuletzt aufgrund des Spucksteins in der Bremer Innenstadt, der ihr noch heute ein Denkmal setzt. Hermann Syzygos lässt das Leben der Mörderin in seinem Roman „Der Egel von Bremen“ noch einmal Revue passieren.
15 Menschen mussten ihr Leben lassen, darunter Gesche Gottfrieds Kinder und ihr Vermieter. Die Motive sind noch heute ungeklärt. Doch für die Bremer Gesellschaft um 1800 war Gesche ein Engel. Nur zu großzügig und gütig zeigt sich das junge Mädchen und die spätere Witwe im Umgang mit Kranken, Armen und Bedürftigen, die sie pflegt und versorgt. Als sich Krankheitsfälle in ihrem Bekannten- und Familienkreis häufen, kümmert sich Gesche rührend um die Verwandten und Freunde. Manche haben Glück und springen dem Tod von der Schippe, andere wiederum, darunter ihre zwei Ehemänner sowie ihre Eltern, schaffen es nicht und so steht die Witwe plötzlich mittellos da.
Gottfrieds zahlreiche Mordversuche und Morde blieben lange Zeit unentdeckt. Quellen belegen, dass die Mörderin ein eitles und verschwenderisches Wesen war. Dies zeigt Syzgos in seinem Roman deutlich. Besonders vor ihrem Tod habe sich Gottfried nur noch um ihr Äußeres gekümmert.
Nach Gottfrieds Tod ging die Polizei von finanziellen Motiven aus. Heute diskutieren Experten und Psychologen über den geistigen Zustand der Serienmörderin. Angaben Gottfrieds zufolge, habe sie sich lange Zeit in Sicherheit gewogen und deshalb weitere Morde begangen. Weitere Motive könnten ein Resultat von einem Streit mit ihren Eltern gewesen sein, die sich über Wahl ihres zweiten Ehemannes weniger erfreut zeigten sowie die Angst vor ihrem ersten Ehemann, der ihr in Hinblick auf ihre Affäre im Weg gestanden haben könnte. Indem sie enge Familienmitglieder umgebracht hat, hat Gottfried jedoch einen Denkfehler begangen, denn nach dem Tod ihrer Eltern war sie mittellos.
Dem Autor gelingt es mit seinem kurzweiligen und nüchternen Schreibstil das Bremen des frühen 19. Jahrhunderts heraufzubeschwören. Der historische Roman kann jedoch nicht als Klassiker seines Genres gelten, vereint er doch Element einer Biographie und verweist auf Entwicklungen aus unserer Zeit. Nicht zuletzt stellt sich jedoch die Frage, woher der Autor sein ganzes Wissen über die Serienmörderin gezogen hat. Wünschenswert wäre deshalb ein Anhang gewesen, in dem der Autor seine Quellen offenlegt.
Obwohl der Leser das Schicksal der Gesche Gottfried und ihrer zahlreichen Opfer bereits kennt, bleibt es ein spannender und vor allem unterhaltsamer Roman für zwischendurch, der, aufgrund seiner geringen Seitenzahl, schnell zu lesen ist.