Selten habe ich so kluge Sätze gelesen, wie sie Herta Müller in ihren politisch-literarischen Wortmeldungen "Eine Fliege kommt durch einen halben Wald" schreibt. In den neun Reden und Essays beschäftigt sich die Autorin mit der Würde des Menschen und dem Verlust der Freiheit in einer Diktatur, mit den Mechanismen des Nazi Regimes, dem Schüren der Angst und der Würdelosigkeit der eigenen Anpassung.
Sie beschreibt, dass sie als Übersetzerin in einer Fabrik gearbeitet hat und sich weigerte, als Spitzel ihre Kolleg*innen zu überwachen und daraufhin als Spitzel geoutet wurde, weswegen alle sie mieden und verachteten. Müller stellt fest, dass in einer Diktatur das ethische Fundament fehlt und die Gesellschaft dadurch ihren moralischen Kompass verliert.
"Ist das vielleicht Würde, dass man von seinem Leben keinerlei Nutzen akzeptiert, der einem anderen schadet?"
Eindringlich beschreibt Herta Müller, dass sie sich in Rumänien vor ihrer Flucht mit Verhören, Hausdurchsuchungen, Verhaftungen von Freunden, Todesdrohungen durch den Geheimdienst herumschlug - und mit Todesangst, als Staatsfeindin des Regimes. Als sie dann 1987 nach Deutschland flüchtete, wurde sie wie eine Spionin behandelt und ihr 1 1/2 Jahre die deutsche Staatsbürgerschaft verwehrt.
In dem Text "Kopfwort und Herzwort" zeigt die Autorin auf, wie Deutschland die zerstörten Leben, der im 2. WK ins Exil Vertriebenen in Schweigen gehüllt hat und immer noch hüllt. Als hätte es das Risiko der Flucht aus Nazi Deutschland, das Heimweh, die Fremdheit, Angst und Armut im neuen Land nie gegeben.
Eine beeindruckende einfühlsame und menschenfreundliche Stimme steckt in diesen Texten, ein Plädoyer für Freiheit und Würde, gegen Krieg, Diktatur, Gewalt und Hass. Hochachtung vor dieser klugen und besonderen Frau!
Unbedingt Leseempfehlung!