Rezension zu "Herz, Nieren und der ganze Rest" von Hilary Jones
Für die Beschreibung des Buches eignet sich am besten dieses Zitat aus der Einleitung:
„Herz, Nieren und der ganze Rest – Ein Tag im Leben deines Körpers“ beschreibt 24 Stunden im Leben der Familie Enniman – ein Vater, eine schwangere Mutter, ihre zwei Teenager, ihre fünfjährige Tochter und der Familienhund -, und es richtet den Blick auf alles, was während dieses einen Tages in ihren Körpern vor sich geht. Aber alles, was mit den Ennimans geschieht, geschieht auch mit Ihnen!
Der Tag beginnt mit dem Aufwachen und Aufstehen. Schon hier wird klar, dass der Autor Wert darauf legt, das Komplexe des Körpers auch bei scheinbar Alltäglichem und Einfachem aufzuzeigen. Die Geschichte rund um die Ennimans nimmt er zum Anlass, verschiedene Körperfunktionen und Organe vorzustellen. So stellt er z.B. das Aufwachen auf unterschiedliche Weisen vor. Bei Adam (dem Vater) konzentriert er sich auf die visuellen Reize und erklärt dabei die Funktion des Auges während er bei seiner Frau Eve den Fokus auf das Hören legt.
Im ersten Moment war ich etwas irritiert davon, dass ein Sachbuch rund um eine fiktive Geschichte aufgebaut war. Bald schon stellte sich heraus, dass dem Autor damit aber viel mehr Möglichkeiten für Erklärungen geboten werden. So stellt er in den einzelnen Episoden ein Thema in den Mittelpunkt (wie z.B. die Verdauung oder die Schwangerschaft). Bei der alleinigen Erklärung dieses Themas bleibt es aber nie. Dazu geschehen viel zu viele Dinge, die Einfluss auf den Körper nehmen in der Umgebung, sodass ein Schwenk zu anderen Körperzonen nicht ungewöhnlich ist. Auch die schweifenden Gedanken der Protagonisten eignen sich dazu. Sie sind es auch, die der Anlass dazu sind, auch auf die Psyche einzugehen.
Der Schwenk zwischen den Erklärungen und dem Alltag der Ennimans ist gut durchdacht und hatte einige Vorteile – unter anderem auch das flüssige Lesen. Die medizinischen Beschreibungen sind öfters mit Fachausdrücken versehen, ab und zu gibt es auch schematische Abbildungen (z.B. des Auges oder des Verdauungstraktes). Die Gedanken und Beobachtung der Ennimans allerdings sind mitunter schockierend offen und stellen sich auch so manchen Themen, die ich so in einer Geschichte noch nicht gelesen habe (z.B. den Spielereien von Männern beim Pinkeln, den Aussagen über die Beobachtung des eigenen Klogangs usw.). In Bezug auf den Körper wären sie mir in einem reinen Sachbuch nicht aufgefallen (vielleicht auch, weil dort andere Ausdrücke verwendet werden), da sie hier in eine Geschichte verpackt waren, fielen sie doch ins Auge.
Zu Beginn noch stehen eher die Organe und ihre Funktion – samt möglicher Fehlfunktionen und Krankheiten – im Mittelpunkt. Schon bald gibt es aber auch Schwenker zu Verhalten, Verfassung und Emotionen eines Menschen. Dieser umfassende Blick machte das Buch umso interessanter. Gerade auch, weil die Konstellation der Familie – neben den Eltern die pubertären Jugendlichen, die kleine Tochter, das ungeborene Kind und dazu noch die vom Alter geplagten Schwiegereltern – einen Einblick auf alle Lebenslagen geben und damit auch den Alterungsprozess und die Veränderungen im Laufe eines Lebens miteinbeziehen.
Fazit: Der fiktive Teil kam für mich recht überraschend, hat aber dafür gesorgt, dass nicht einzelne Organe und Körperteile vorgestellt wurden (wie man sich beim Title hätte erwarten können), sondern eine ganzheitliche Sicht auf den Menschen – samt Psyche – aufgezeigt wurde. Gerade diesen Aspekt fand ich interessant.