Rezension zu "Spiegel und Licht" von Hilary Mantel
Ich sage noch einmal, dass ich "Wölfe" faszinierend fand. Bei "Falken" ging es dann schon deutlich abwärts, aber ja: Ich quälte mich durch, auch wenn das Buch zäh und nicht spannend war.
"Spiegel und Licht" konnte ich nicht mehr beenden.
Das Buch beginnt im Jahr 1536, direkt nach Anne Boleyns Hinrichtung (seltsamerweise nicht da, wo "Falken" endete, es scheint mehr oder weniger ein alternatives Ende für "Falken" zu schreiben; den Sinn dahinter muss man nicht verstehen). Danach geht es um - ja, was? Thomas Cromwells Gedankenleben. Am Rande werden dann auch die geschichtlichen Ereignisse der damaligen Zeit geschildert, die durchaus etwas zu bieten hätten, wenn man sie in anschaulicher, epischer Form geboten kriegen würde. Aber nein: Wir Leser befinden uns immer nur in Cromwells Kopf - der am Ende des Buches vermutlich abgeschlagen wird, denn eine weitere Fortsetzung gibt es nicht.
Wie Mrs. Mantel Cromwells Sturz umsetzt, werde ich wohl nie erfahren. Und das muss ich auch gar nicht. Ich weiß, dass der gute Mann 1540 durch ein Intrigenspiel gestürzt und von einem sehr unerfahrenen Henker enthauptet wurde, die Szene kriegte ich in der "Henry VIII"-Verfilmung aus dem Jahr 2003 (meiner Meinung nach noch immer eine der besten Verfilmungen) schon sehr blutig in visueller Form und in Rebecca Gablés "Der dunkle Thron" in schriftlicher Form geboten. Ich kenne die Szene - wozu mir da noch mehr von diesem Geschreibsel antun?
Ich bin ehrlich verwirrt. Ich habe nicht das Gefühl, dass sich Hilary Mantels Schreibstil über die Bücher hinweg großartig geändert hat und weiß, dass ich ihn in "Wölfe" noch anspruchsvoll und gut fand, aber jetzt ging er mir so auf den Zeiger, abgehackt und wirr, dazu die fehlende Handlung, das Ausufern in sinnfreie Banalitäten und immer wieder, immer wieder das Innenleben Cromwells.
Eigentlich mag ich es, etwas über die Gedanken und Gefühle des Protagonisten zu wissen, denn das erzeugt Nähe und Identifikationsmöglichkeiten ... allerdings sind die Gedankenspiele Cromwells nur selten nachvollziehbar.
Das Erzählen im Präsens nervte mich. Die Nicht-Handlung. Der Protagonist. Dieses Buch ist ein unbeschreibliches Ärgernis.
1 Stern für alles bis Seite 317. Ich höre auf!
Empfehlen kann ich die Reihe - trotz gutem Start, wie ich damals empfand - leider nicht mehr. Wer "Wölfe" lesen möchte, dem rate ich nicht ab. Aber danach: Lasst es gut sein. Teil 2 und Teil 3 sind der absolute Flop!
Wer diese Epoche in anschaulicher Weise nahe gebracht kriegen will, dem empfehle ich "Der dunkle Thron" von Rebecca Gablé (Teil 4 der Waringham-Saga, kann aber durchaus separat gelesen werden). Ich selbst werde mich erstmal anderen Büchern und zum Thema der englischen Renaissance dann den Büchern von C.J. Sansom zuwenden, die mir empfohlen wurden.