Nachdem Doktor Hirschfelds Institut für Sexualwissenschaft im zweiten Weltkrieg aufgelöst, nein zerstört wurde, bleibt seine Patientenliste verschollen. Darin enthalten sind umfangreiche Aufzeichnung über seine homosexuellen, transsexuellen und pathologisch triebgesteuerten Patienten, denen er Arzt, Therapeut und Seelsorger war. Die Jagd auf die Dokumente beginnt, denn ranghohe SS-Angehörige wissen um ihren Namen in diesen Papieren. Hirschfelds Anwalt Karl Fein soll viele Jahre später dem Mossad bei der Suche helfen, denn in der Akte vermuten sie Hinweise zum Namen eines der letzten geflohenen deutschen Kriegsverbrecher, der eine auffällige Verhaltensstörung aufweist..
Die Idee, die damaligen Ereignisse aus Sicht der Patienten zu betrachten, lässt alles sehr lebendig und persönlich wirken. Der Plot und die Perspektiven sind somit vielseitig, authentische, fiktive Charaktere bringen Leben in die historisch belegten Fakten. Nicolas Verdan hier jongliert glaubhaft mit den verschiedensten Emotionen und vermittelt anschaulich die Abgründe, die Zerrissenenheit und Verzweiflung der Figuren. Seine Sprache ist dabei weder blumig noch melodisch, die Poesie liegt in der Nacktheit der Seelen in diesem Roman.
Das Ausmaß der Abwertung von homosexuellen, transsexuellen oder transidenten Menschen unter dem totalitären Regime des Nationalsozialismus, die Bedeutung des Instituts für Sexualwissenschaft, die Rolle Magnus Hirschfelds, der Paragraf 175, das alles wird in diesem Roman verpackt, der zu einigen Teilen fiktional sein mag, aber dem eine Wahrheit und Wirklichkeit innewohnt, die mich zum einen sehr interessiert und begeistert das Buch lesen ließ, mich zum anderen bedrückt und traurig gemacht hat.
Ein sehr empfehlenswerter Roman über einen Pionier der queeren Gleichberechtigung und vor allem über die, die seine Hilfe suchten.