Hilde Kerer

 4,5 Sterne bei 2 Bewertungen

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Cover des Buches Ich war ein Blitzmädel (ISBN: 9788872834800)

Ich war ein Blitzmädel

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Erschienen am 25.08.2014

Neue Rezensionen zu Hilde Kerer

Cover des Buches Ich war ein Blitzmädel (ISBN: 9788872834800)
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Rezension zu "Ich war ein Blitzmädel" von Hilde Kerer

Von Kameradschaft unter Frauen ...
Bellis-Perennisvor 3 Jahren

Der Kern dieses Buch sind die Tagebuchaufzeichnungen der Hilde Kerer, die 1919 in Brixen (Südtirol) als Tochter eines Gastwirtsehepaars geboren wurde. Hilde optiert 1939 für Deutschland und gibt gleichzeitig die Freundschaft mit Maria „Midl“ Kofler, die sich für‘s in Südtirol also Italien bleiben, entschieden hat, nicht auf. Deswegen wird Hilde angefeindet und wandert 1940 nach Deutschland aus.  

Nach mehreren Jobs, unter anderem als Sportwartin und Schneiderin, macht sie eine Ausbildung zur Nachrichtenhelferin. Als sogenanntes „Blitzmädel“ ist sie Teil der Wehrmacht. Ihre Erlebnisse in den Jahren 1942-1944 vertraut sie ihrem Tagebuch an.  

Meine Meinung: 

Vorerst ist anzumerken, dass diese Biografie aus der Reihe „Memoria – Erinnerungen an das 20. Jahrhundert“ des Raetia-Verlages aus Erzählungen der zur Zeit der Interviews 95-jährigen Hilde Kerer entstanden ist. Die Tagebucheintragungen zwischen dem 28.10.1942 (Aufbruch zur Ausbildung) und dem 8.8.1944 (Flucht aus Frankreich) bilden den zentralen Teil der Geschichte. Autor Thomas Hanifle ergänzt im Vorwort und die Historikerin Siglinde Clementi unter dem Titel „Sich wehren und hartnäckig sein. Zum autobiografischen Gedächtnis und Selbstbild von Hilde Kerer“ im Nachwort. Die beiden Autoren bringen dem Leser, der vielleicht mit der Geschichte Südtirols bzw. dem Faschismus in Italien nicht so vertraut ist, die Lebensumstände der Menschen wie Hilde näher. 

Hilde schreibt viele tägliche Dinge auf, die manchmal auch belanglos wirken. Vor allem mäkelt sie mehrfach an der Unterbringung, dem Essen und an den Jobs bzw. Ausbildern herum. Es scheint, als hätte sie das „große Abenteuer“ gesucht, aber nicht gefunden. Aus der versprochenen Stationierung auf der Halbinsel Krim wird nichts. Sie wird nach Minsk abkommandiert, was ihr gar nicht gefällt. 

„Schnee, Kälte und Bolschewismus, der uns immer als furchtbar und grausam geschildert wurde. So gesehen war es nur gut und recht, dass die Deutschen das Land und die Menschen dort von diesem Ungetüm befreiten. So naiv dachte auch ich damals.“ 

Über ihre Arbeit als Nachrichtenhelferin berichtet sie wenig. Ihr Augenmerk liegt eher beim Freizeitvergnügen mit ihren Kameradinnen.  

So ist auch ihre Aussage über ihre Zeit als Blitzmädel ein wenig befremdlich: „Wäre nicht der Krieg gewesen, dann wäre es eine schöne Zeit gewesen.“.

Erst als sie bei einem Bombenangriff in Poitiers verschüttet und verletzt wird und zwei Freundinnen getötet werden, kommt ein wenig Kriegsalltag in die Geschichte. 

Interessant ist Hildes Aussage, sich nicht für Politik zu interessieren. Hier scheint es ein Umdenken gegeben zu haben. Denn als junges Mädchen in ihrer Heimat Südtirol ist sie sehr wohl politisch interessiert, wie ihr Widerstand gegen die Italianisierung im Dorf zeigt. Statt des italienischen „Eviva!“, schreit sie „Hoch! Hoch“. Sie lernt verbotenerweise Deutsch mit ihrer Schwester Paula und Maria „Midl“ Kofler, die als „Katakombenlehrerin“ deswegen für zwei Jahre nach Lauria deportiert wird.  

Auch hier zeigt sich der Widerspruch der Zeit: Anfangs ist Midl Kofler ob ihrer Verbannung eine Heldin, ja eine Märtyrerin für die deutschsprachigen Südtiroler. Doch als sie sich, statt für Deutschland und Hitler zu optieren, für’s „Dabeibleiben“ entscheidet, gilt sie als Verräterin der deutschen Sache.  

Hilde Kerer ist mir nicht sehr sympathisch, da sie sehr ich-bezogen erscheint. Allerdings ist es schwierig mit dem Wissen von heute und ohne persönliche Begegnung, die Beweggründe für ihr Verhalten zu verstehen. Vielleicht war es reiner Selbstschutz, so und nicht anders zu agieren. Dabei ist sie, wie sie selbst sagt, nicht die Einzige, die sich so durch die NS-Zeit laviert.  

Gut gefallen hat mir der Aufbau des Buches, denn die Geschichte der Hilde Kerer lässt sich in einem Stück lesen und wird von Vorwort und Nachwort umrahmt.  Die Fotos aus dem Besitz von Hilde Kerer ergänzen diese Worte perfekt.  

Fazit:

„Ich war ein Blitzmädel. Frauenkameradschaft in der Wehrmacht“ ist eine sehr interessante Biografie aus der NS-Zeit, die auf dem Tagebuch einer Wehrmachtshelferin beruht. Gerne gebe ich hier 4 Sterne.

Cover des Buches Ich war ein Blitzmädel (ISBN: 9788872834800)
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Rezension zu "Ich war ein Blitzmädel" von Hilde Kerer

Rezension: "Ich war ein Blitzmädel. Frauenkameradschaft in der Wehrmacht" von Hilde Kerer
Anchesenamunvor 9 Jahren

4,5 von 5 Sternen

~~~~ Achtung, der Titel ist hier leider unvollständig wiedergegeben. Das Buch heißt "Ich war ein Blitzmädel. Frauenkameradschaft in der Wehrmacht" (Hilde Kerer, Aufgezeichnet von Thomas Hanifle). ~~~~


Zum Inhalt

Hilde Kerer wird 1919 als Tochter deutschsprachiger Gastwirte in Brixen/Südtirol geboren. Schon in ihrer frühen Kindheit bekommt sie die Repressionen durch die italienischen Faschisten zu spüren. Doch die deutschstämmige Bevölkerung lässt sich nicht unterkriegen, und so entstehen Geheimschulen, in denen die Kinder auch weiterhin das deutsche Sprach- und Kulturgut vermittelt bekommen.

Hilde Kerer wächst zu einer selbstbewussten Frau heran, die – wie die meisten ihrer Altersgenossen – dem Nationalsozialismus sehr zugetan ist, besteht doch die Hoffnung, dass Hitler das faschistische Südtirol wieder Deutschland zuführen wird. Auf der Suche nach Abenteuern, meldet sich Hilde mit Begeisterung für die Ausbildung zur Wehrmachtshelferin in Deutschland. Als so genanntes Blitzmädel erlebt sie Einsätze im russischen Minsk und im französischen Poitiers, wo sie nur knapp einen Bombenangriff überlebt und schließlich Hals über Kopf mit ihren Kameradinnen vor den Alliierten fliehen muss.

In Erzählungen und Tagebucheinträgen folgt der Leser Hilde Kerer auf ihren Wegen als Blitzmädel von 1942-1944.

Meine Meinung

Die Biographie aus der Reihe „Memoria – Erinnerungen an das 20. Jahrhundert“ des Raetia-Verlages setzt sich zusammen aus Erzählungen der heute 95jährigen Hilde Kerer sowie aus Einträgen, die sie zwischen dem 28.10.1942 (Aufbruch zur Ausbildung) und dem 8.8.1944 (Flucht aus Frankreich) in ihr Tagebuch niedergeschrieben hat. Nach einem kurzen Vorwort von Thomas Hanifle gilt der Hauptteil ganz allein Hilde Kerer, die hier ohne Unterbrechungen oder Erläuterungen zu Wort kommt. Dies ist generell sehr angenehm, da die Geschichte so nicht zerrissen wird.

Andererseits hätte ich mir bei manchen Begriffen oder erwähnten Ereignissen eine Erläuterung gewünscht, z. B. in Fußnoten. Auch werden öfter Personen erwähnt, die einfach so auftauchen und wieder verschwinden, ohne dass ich wusste, wer das jetzt eigentlich ist. Allerdings wird hier fairerweise im Vorwort bereits darauf hingewiesen, dass Hilde Kerers Erinnerungen lückenhaft sind und sie manche Personen nicht mehr richtig einordnen kann.

Der Leser lernt hier einiges über den italienischen Faschismus in Südtirol, worüber ich persönlich bislang nichts gewusst hatte. Die deutschsprachige Bevölkerung wird dazu genötigt, nur noch Italienisch zu sprechen und sich den faschistischen Lehren zu unterwerfen. Doch es spinnt sich ein feines Netzwerk, das Widerstand gegen die Faschisten leistet und das deutsche Sprach- und Kulturgut weiterleben lässt. In Geheimschulen werden Kinder wie Hilde von so genannten Katakombenlehrerinnen in deutscher Sprache unterrichtet.

Eine von Hildes Lehrerinnen ist Midl Kofler, die als Strafe für ihre verbotene Tätigkeit für zwei Jahre ins Exil nach Lauria geschickt wird und in Brixen als Heldin gilt. Trotz ihrer Liebe zur deutschen Kultur entscheiden sich Midl und ihre Familie jedoch später für die Option Italien, und Midl wird plötzlich zur persona non grata. Einzig Hilde hält Midl weiterhin die Treue und wird hierfür ebenfalls angefeindet. Doch das selbstbewusste Mädchen hat seinen eigenen Kopf und eckte schon immer an, erst bei den Faschisten, dann später bei den Nazis. Wie sie selbst erzählt, geriet sie jedoch nie an extreme Menschen, sonst hätte sie vermutlich schon früh unter Bestrafung in jeglicher Form leiden müssen.

Hilde Kerer hegt große Sympathien für Hitler und den Nationalsozialsmus. Sie betont, dass viele Menschen damals so dachten wie sie, und hierbei keineswegs einen schlechten Charakter aufgewiesen oder gar die Gräueltaten der Nazis gutgeheißen hätten. Für die Südtiroler war Hitler eine Verheißung dafür, dass ihre Heimat bald wieder deutsch sein könnte. Wie so viele andere, die blind dem Nationalsozialismus zugetan waren, hatten auch diese Menschen keine Ahnung von den Gräueltaten der Nazis oder wollten sie nicht wahrhaben.

Erst nach und nach bei ihren Einsätzen lernt Hilde Kerer die schlimmen Seiten des Krieges kennen, auch wenn sie lange Zeit versucht, davor die Augen zu verschließen. Aber meist will sie auch hier nichts davon wissen, blockt Erzählungen von Soldaten über die Front ab und behauptet auch später noch, nichts von den Taten der SS mitbekommen zu haben, obwohl sie z. B. in Minsk stationiert war, als dort Partisanen und im jüdischen Ghetto Tausende von Juden exekutiert wurden.

Hilde Kerer erzählt nicht vorrangig von ihrer Arbeit als Blitzmädel und dem Krieg, sondern von ihren Freizeitaktivitäten und den Liebes- und Freundschaftsbeziehungen zu Soldaten und Kameradinnen. Dabei blieb sie mir leider immer ein bisschen fremd, richtige Sympathien kamen bei mir nicht auf. Aber das ist ja auch keine notwendige Voraussetzung, ich habe das Buch dennoch in einem Rutsch gelesen.

Interessant ist es, dass hier eine Frau zu Wort kommt, die für die Nationalsozialisten gedient hat. Bei Einsatzkräften der Wehrmacht denkt man doch zwangsläufig nur an Männer, obgleich mehrere Millionen deutscher Frauen damals freiwillig für die Nationalsozialisten tätig waren, wenn auch nicht unbedingt an der Front.

Wenngleich Kerer damals in Brixen politisch sehr engagiert war, bezeichnet sie sich gerade in ihrer Tätigkeit als Blitzmädel als politisch uninteressiert, apolitisch. Sie sagt über ihre Zeit als Blitzmädel vor dem Bombenangriff in Poitiers, bei dem sie zwei Freundinnen verliert: „Wäre nicht der Krieg gewesen, dann wäre es eine schöne Zeit gewesen.“ Und man hat auch beim Lesen das Gefühl, dass die Tätigkeit als Blitzmädel für Hilde Kerer kein politisches Statement, sondern lediglich ein Abenteuer und eine Flucht aus dem tristen Alltag als Schneiderin war.

Dem Hauptteil folgt noch ein 20seitiger Aufsatz der Historikerin Siglinde Clementi mit dem Titel „Sich wehren und hartnäckig sein. Zum autobiografischen Gedächtnis und Selbstbild von Hilde Kerer“. Hier folgten einige Erläuterungen, die ich zuvor im Hauptteil vermisst hatte, und ein paar Punkte waren sicherlich auch interessant. Aber alles in Allem empfand ich den Artikel als Stilbruch zu Hildes Erzählungen, zu langatmig und zu wissenschaftlich. Ein kürzeres Nachwort hätte es meiner Meinung nach auch getan.

Positiv hervorheben möchte ich noch die zahlreichen Schwarzweiß-Fotos. Außerdem findet man in den Fußnoten des Aufsatzes am Ende des Buches noch viele Literaturverweise, die bei Interesse eine gute Grundlage für weitere Eigenrecherchen bieten.

„Ich war ein Blitzmädel. Frauenkameradschaft in der Wehrmacht“ ist eine sehr interessante Biographie aus dem zweiten Weltkrieg, die ich nicht nur geschichtsinteressierten Lesern ans Herz legen möchte.

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