Cover des Buches Prison Island (ISBN: 9783836954778)
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Rezension zu Prison Island von Hilde K. Kvalvaag

Gefangen im eigenen Schicksal?

von Dr_M vor 9 Jahren

Rezension

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Dr_Mvor 9 Jahren
Im Original heißt dieses 2010 mit "dem Brage-Preis für das beste Jugendbuch" in Norwegen ausgezeichnete Werk wohl "Gefängnisse". Dass daraus der nichts sagende "deutsche" Titel "Prison Island" wurde, verwirrt im doppelten Sinne, nicht nur, weil damit der deutschen Sprache das Vertrauen entzogen wurde, sondern vor allem, weil die Botschaft des Originaltitels abhanden gekommen ist.

Idun wohnt mit ihrer Mutter in irgendeinem norwegischen Kaff. Iduns Eltern sind geschieden. Ihre Mutter sucht nach einem neuen Mann, und ihren Vater sieht Idun zwar täglich, aber nur kurz, wenn er auf dem Wege in die Fabrik am Haus vorbeiradelt. In der Schule ist Idun nicht schlecht. Nebenbei trainiert sie 800 Meter-Läufe, scheitert aber immer wieder an ihrer Konkurrentin Ane Mo. Auch mit den Jungs läuft es eher mäßig.

Dann plötzlich zieht ihre Cousine Mai bei ihr ein. Bei Mai scheint die familiäre Entwurzlung noch weiter fortgeschritten zu sein. Sie hat sich mit ihrer Mutter verkracht. Die Gründe dafür bleiben im Dunkeln, doch die Trostlosigkeit, mit der all dies geschildert wird, ist bedrückend.

Im Gegensatz zu Idun verhält sich Mai extrovertiert. Sie schläft mit jedem, der ihr irgendwie gefällt. Was nach außen wie Gefühllosigkeit aussieht, demonstriert lediglich hoffnungslose Verzweiflung und die Sehnsucht nach Liebe und Geborgenheit, die ihr als Kind offenbar verweigert wurden. Im Hintergrund macht sich bei Mai bereits eine latente Todessehnsucht breit, die nach Grenzüberschreitungen sucht.

Im Fjord vor dem Dorf liegt eine Insel, auf der sich jugendliche Gefangene nach guter Führung auf ihre baldige Entlassung vorbereiten sollen. Nachdem sich Mai für einen von ihnen zu interessieren beginnt, gewinnt die Handlung an Geschwindigkeit und Tragik, denn nun tut sich eine Gelegenheit auf, um weitere Linien zu überschreiten.

Man kann sicher darüber streiten, ob man ein solch trauriges Buch mit einem Preis auszeichnen sollte. Allein die Tatsache jedoch, dass dies geschehen ist, erzählt viel über den Zustand der westlichen Gesellschaften. Von jugendlichem Optimismus und Aufbruchstimmung fehlt in diesem Buch eigentlich jede Spur. Stattdessen vermitteln die Figuren und Ereignisse eine gewisse Trostlosigkeit des Gefangenseins im eigenen, eher traurigen Schicksal, zu dem es keine Alternative zu geben scheint.

Mit Idun und Mai stehen sich zwei unterschiedliche Mädchen mit einem ähnlichen Hintergrund gegenüber. Bereits mit 16 scheint sich das Leben bei ihnen festgefahren zu haben. Während Idun eher den üblichen Weg des Mittelmaßes beschreitet, reagiert Mai aggressiver, weil sie hungriger nach Liebe und sehnsüchtiger nach Erfüllung zu sein scheint. Doch stellt sich so die Alternative da? Bietet das Leben keine Überraschungen mehr?

Die Geschichte wird in diesem Buch von Idun spröde erzählt. Vom literarischen Standpunkt aus kann man kaum etwas an diesem Buch kritisieren. Ich würde allerdings lebensfrohere und optimistische Geschichten für Heranwachsende solchen Büchern vorziehen.
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