Rezension zu "Schneller lesen" von Holger Backwinkel
Wie ein paar andere dünne Bände, die für den Einstieg in die Materie des Schnelllesens konzipiert sind, ist auch Fischers Werk eine praktische Hilfestellung, um die wesentlichen Aspekte im Überblick dargestellt kennen zu lernen.
Eine vertiefende oder gar spezifische Erörterung einer Trainingsmethode oder eines theoretischen Aspekts kann man bei diesem kleinen Taschenhelfer aufgrund des geringen Umfangs nicht erwarten. Er leistet dafür gute Dienste bei der Überlegung, ob man mit der langwierigen und anstrengenden Verbesserung der eigenen Lesegeschwindigkeit inklusive Textverständnis Glück und Zeitersparnis finden oder lieber dem Status quo treu bleiben möchte.
Als Appetitanreger für komplexere und mit wesentlich mehr Übungen und Hintergrundinformationen versehen Literatur zu dem Thema eignet sich der Band vortrefflich. Wer noch an der Wirksamkeit der Methode zweifelt oder schlicht (noch) nicht die Zeit hat, ein umfassenderes Buch zu dem Thema zu lesen, ist mit Fischers Werk bestens beraten.
Und wenn erst die schwierigen Anfangshürden überwunden und das tiefere Eintauchen in Literatur und Arbeitsmaterialien jeglicher Bauart in wesentlich kürzerer Zeit verwirklicht sind, wird dieses kleine Bändchen mit dem schönen Gedanken assoziiert werden, wie viel mehr Freude am Lesen, Zeitersparnis und Freizeit er zu ermöglichen geholfen hat.
Da ich viel von diesen Techniken halte, seit 5 Jahren übe und bereits ein paar Bücher dazu gelesen habe, möchte ich abschließend generelle, teils subjektiv gefärbte Fakten zum Schnelllesen erwähnen, um interessierten Lesern einen Überblick zu verschaffen und potentiellen Gusto zu machen.
Ich werde die folgenden Textabschnitte allen Rezensionen zu Schnelllesebüchern folgen lassen.
Essentielle Grundlage aller Übungen und des Schnellleseerfolges sind der richtige Abstand zum Text, gute Beleuchtung, wenig bis keine Ablenkung und die regelmäßige Ausführung der Augenbewegungsübungen und Techniken zur sukzessiven Erweiterung der Blickspanne. Es geht darum, das jahre- bis jahrzehntelang eingeübte Wort für Wort lesen abzulegen, schlechte Angewohnheiten wie Regression, Subvokalisation und Zweifel am Verständnis abzulegen und neue, effektivere Lesemuster zu erlernen.
Es dürfte individuell sehr unterschiedlich sein, wie schnell sich bei regelmäßiger Praxis ein Erfolg einstellen kann und wann der Punkt erreicht sein wird, an dem man mehrere Wörter mit einem Blick erfassen und trotzdem ein hohes Textverständnis erreichen kann. Die Übungen können auf vielfältige Weise in den Alltag integriert werden, sei es bei der Lektüre von Zeitungen, Reklameblättern, Prospekten, Werbewänden, Auslagen, Lebensmitteletiketten und was dem kreativen Geist sonst noch so einfällt.
Bezüglich den jeweiligen Vorzügen von Brille oder Kontaktlinsen bin ich zwiegespalten. Prinzipiell ist man als Normalsichtiger beziehungsweise Kontaktlinsenträger näher am Geschehen und hat keine Verzögerung wie beim Lesen mit der Brille. Allerdings sind Augen mit Kontaktlinsen immer leicht gereizt, da es sich auch bei noch so guter Qualität um einen Fremdkörper handelt. Dadurch ermüden sie meiner Erfahrung nach schneller, trocknen eher aus und werden empfindlicher gegenüber zu grellem Licht. Wahrscheinlich dürfte sich die Präferenz zu Brille oder Kontaktlinse mit der Zeit zugunsten besserer Leseergebnisse mit einer Sehbehelfsart einstellen. Wechselt man jedoch, ist bedingt durch die Umstellung mit Einbußen zu rechnen, wobei die individuellen Unterschiede beträchtlich ausfallen dürften.
Augenmuskelübungen habe ich bisher noch nicht in das Übungsprogramm implementiert, möchte es aber. Bei von fähigen Augenärzten und auf die jeweilige Art der Sehstörung oder Normalsichtigkeit abgestimmten Übungen dürften sich noch zusätzliche Steigerungen und längere Lesephasen ohne Ermüdung herausholen lassen.
Gerade bei den fortgeschrittenen Leseübungen wie dem Lesen mehrerer Zeilen auf einmal, dem Abfahren ganzer Textpassagen in Schleifenbewegungen und dem Fixieren ganzer Textpassagen mit einem Blick offenbaren sich natürliche Grenzen. Zwar sollte man mithilfe dieser komplexen Instrumente blitzartige Sinnerfassung und schnelles finden von Informationen automatisieren, stößt in der Praxis jedoch bald auf Umsetzungsprobleme.
Speziell bei komplexeren, auch beruflich relevanten Texten dürfte eine Anwendung der Metalesetechniken nicht mehr zielführend sein, da ein ausreichendes Verständnis ab bestimmten Geschwindigkeiten nicht mehr erreicht werden kann. Es dürfte im Gegenteil mehr Zeit kosten, in einigen schnellen Anläufen gleich viel Information zu gewinnen als in einem langsameren Durchgang mit dem Lesen von lediglich 1 bis 2 Wörtern pro Blickspanne. Noch dazu ist ein entscheidendes und im Buch stiefkindlich behandeltes Thema das Vorwissen und der spezifische Fachwortschatz des Lesers, die viel zu Geschwindigkeit und Verständnis beitragen.
Auch ist es logisch, dass Lesegeschwindigkeit und Verständnis an einem bestimmten Punkt auseinander zu driften beginnen, wobei die individuellen Unterschiede jedoch beträchtlich sein dürften. Wie sinnvoll es ist, sich über lange Übungsperioden bis zu einer sehr hohen Lesegeschwindigkeit hoch zu trainieren, bleibt jedem selbst überlassen. Ob Zeitersparnis durch besseres Verständnis in halber Zeit oder eher Frustration durch zur Sinnerfassung wieder grassierende Regression und wiederholtes Lesen die Überhand gewinnen, erfährt man erst nach langer Trainingszeit. Und die ist entweder sinnvoll investiert oder für ein, die eigenen Kapazitäten übersteigendes, Vorhaben verschwendet. Ob es das Risiko wert ist, muss jeder für sich entscheiden.
Außerhalb der, durch Fachkenntnisse leichter zu verstehenden, Sphären des eigenen beruflichen oder privaten Steckenpferds sind die fortgeschrittenen Leseübungen durchaus gut zum Überblick verschaffen, auffrischen bereits erworbenen Wissens, der Sondierung eines Textes auf der Suche nach bestimmten Passagen oder Zusammenhängen und als zusätzlicher Impulsgeber beim Buchkauf.
Für das alltägliche, des Broterwerbs wegen notwendigen Lesens oder den Genuss von Belletristik hingegen sind sie eher kontraproduktiv. Unnötige, der Hektik geschuldete Fehler in der Arbeit sind ebenso ärgerlich bis prekär wie der Genussentgang bei der Feierabendlektüre.
Prinzipiell fischt man mit den Techniken für Fortgeschritten und Profis auf gut Glück im Trüben, da man mit keinerlei Gewissheit sagen kann, wie effektiv diese Methoden wirklich sind. Da man die genaue Funktionsweise des menschlichen Gehirns noch nicht einmal ansatzweise wirklich kennt, fällt es schwer Pro und Kontra vernünftig abzuwiegen. Erst die Zukunft wird es zeigen und bis dahin speichert man mittels der Hochfrequenzlesetechniken entweder vieles unterbewusst ab und erweitert damit seine Kenntnisse oder es ist eine weitgehend sinnfreie, aber zumindest als Augenmuskeltraining durchgehende Beschäftigung.
Im Gegensatz dazu sind die Übungen zur Erweiterung der Blickspanne auf 1 bis 5 Wörter, mit denen man in 2 bis 3 Blicken auf die jeweiligen Zentren der Wortgruppen eine Zeile lesen kann, eine Offenbarung für jeden beruflich gezwungenermaßen oder privat freiwillig leseaffinen Menschen.
Zeitaufwendig, aber meiner Erfahrung nach sehr hilfreich ist die Erstellung eigener Übungsbeispiele mit Textverarbeitungs-, Mindmap-, oder Zeichenprogrammen. Der große Vorteil daran ist, dass man die Länge der einzelnen Fixierungen und die Komplexität der Übungen selbst bestimmen und individuell auf die eigenen Fähigkeiten anpassen kann.
Eine weitere Option zum effizienten Training bietet sich mit Schnelllesesoftware wie „Speed Reader 2.0“ oder „Schneller lesen, mehr behalten 2.0 Lernsoftware“. Allerdings sind die Preise für die Programme mehr als stolz, was aufgrund des großen Nutzens, mit denen ihre Anwendung einhergeht, schade ist.
Wie beim Erwerb einer Sprache dauert es seine Zeit und man wird mit den Jahren der Praxis immer versierter, sicherer und in der Wahl der angemessenen Technik und Geschwindigkeit für verschiedene Texte immer routinierter. Was im Gegensatz zum Lernen unvorbelasteter Sachverhalte einen zusätzlicher Hemmschuh darstellt, ist die Ablegung alter Lesemuster, die immer mit Unwohlsein, Zweifeln und Skepsis einhergeht. Ist der Damm alter Gewohnheiten aber gebrochen, blickt man nur mehr ungläubig zurück auf die freiwillige Einschränkung des persönlichen Potentials über einen schmerzhaft langen Zeitraum.
Ich kann Ihnen diese überaus befriedigende und durchaus mit einer Verdopplung oder Verdreifachung der Lesegeschwindigkeit einhergehende Technik nur ans Herz legen, deren Erwerb mit beträchtlichen Mühen, aber nachhaltigen Vorteilen verbunden ist. Einzige Voraussetzung ist die Disziplin, bis zum sich einstellenden Durchbruch am fokussierten, sich stetig erweiternden, Blick zu bleiben.
Versuchen Sie, das Lesen ein zweites Mal gleich von Anfang an richtig zu erlernen. Es gibt nichts zu verlieren, aber sehr viel Lebens- und Lesezeit zu gewinnen.
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