Rezension zu "Psychotherapeuten im Visier" von Holger Reiners
Im Grunde ist alles Wesentliche bereits im Klappentext gesagt: "20 Jahre lang ließ sich der bekannte Sachbuchautor Holger Reiners wegen seiner Depression therapieren."
Da wird die Tragödie bereits offenkundig. "Sich therapieren lassen" funktioniert mit Medikamenten, aber nun mal nicht bei einer Psychotherapie.
Skandalös finde ich allenfalls, dass Psychotherapeuten hier Psychotherapie versucht haben, statt dem Patienten gegenüber offen und ehrlich zu sein, ihm die Wahrheit zu sagen, in so einem Fall klar ihre Grenzen aufzuzeigen und an einen Facharzt für Psychiatrie zu verweisen.
Schade, denn solche Fälle, also eine Psychotherapie versuchen, ohne dass man aus der Anamnese eine ausreichend günstige Prognose für eine Psychotherapie ableiten kann, schafft in der tat nur Frustration, weil falsche Hoffnungen und unerfüllbare Erwartungen geweckt werden.
Vor diesem Hintergrund kann ich dann auch einen Teil der Wut und Kritik des Autors nachvollziehen. Es liegt aber sicher nicht an der Psychothrapie im Ganzen oder an Psychotherapeuten generell (die Krankenkassen stellen immer wieder das Gegenteil fest, auch unabhängig vom Verfahren).
Es liegt allenfalls an der Scheu von Psychotherapeuten, Patienten die Wahrheit zu sagen und trotz hohen spürbaren Leidendrucks nicht als Patienten anzunehmen (und das ist zugegeben sehr schwer). Natürlich müssen sie sich dann den zweiten Teil der hier vorgebrachten Kritik gefallen und sich als unnütz, arrogant, inkompetent und überheblich kritisieren lassen.
Patienten, denen noch die innere Haltung für eine Psychotherapie fehlt, kann mit Psychotherapie aber nun mal nicht geholfen werden. Wenn sich ein Patient "therapieren lässt", dann entspricht das dem Verhalten, ein verordnetes Medikament nicht einzunehmen. Eine Behandlung ist dann wirkungslos.
Motivationsarbeit ist nur bedingt möglich und (leider) auch nur bedingt bis gar nicht im Rahmen einer kassenfinanzierten Psychotherapie vorgesehen. Diese soll eigentlich durch die Ärzte im Vorfeld erfolgen, wofür sie weder ausgebildet sind noch die nötige Zeit haben.
Ein letzter Aspekt, der mir aufgefallen ist und was mit der Situation des Autors zusammenhängen dürfte (und ich zweifle, ob es hier um eine Depression geht): es ist erschreckend wenig von der Beziehung zu Psychotherapeuten die Rede, also von dem, was in den aktuellen Outcome-Studien zur Wirksamkeit von Psychotherapie als die mit Abstand wichtigste Einflüssgröße (neben den Patientenvariablen) für den Erfolg einer Psychotherapie angeführt wird, noch weit weit vor dem Therapieverfahren ...