Rezension zu "Die Kanzler und ihre Familien" von Holger Schmale
Das 272-seitige Sachbuch beschreibt in leicht verständlicher Form, wie die bisherigen deutschen Kanzler und die amtierende Kanzlerin zu den politischen Personen wurden, die sie später waren. Kurzum, die Autoren Jochen Arntz und Holger Schmale befassen sich mit den unterschiedlichen Werdegängen der deutschen Regierungschefs und lenken ihren Blick dabei vor allem auf den Einfluss der Familie. Die zeittypischen Familienmodelle (Großfamilie (Adenauer), Kleinfamilie (Kohl), Patchwork (Schröder), kinderlose Paarbeziehung (Merkel)), die zeithistorischen Ereignisse (Erster und Zweiter Weltkrieg, Ost-West-Konflikt, RAF-Terror etc.) wie die soziale Herkunft (gut-bürgerliches Milieu, Arbeitermilieu) spielten bei ihrer "Politikerwerdung" von Adenauer & Co eine entscheidende Rolle.
Interessante Aspekte der Darstellung sind m. E. der Einblick ins Privatleben der Kanzler und die zunehmende Politisierung bzw. Inszenierung der Kanzler-Ehefrauen ab Willy Brandt. Ihre Höhepunkte erreichte die Emanzipation der Gattinnen unter Helmut Schmidt und Gerhard Schröder. Beide Ehefrauen - Loki Schmidt und Doris Schröder-Köpf - standen ihren Männern während deren Amtszeit stets zur Seite und diskutierten neben Beruf und Kindererziehung politisch eifrig mit und gaben gar Impulse.
Als etwas verstörend empfand ich allerdings die wenig strukturierte Herangehensweise an die Thematik, bei der auf drei große Schwerpunkte gesetzt wurde, die sich aber mehr oder minder inhaltlich oft wiederholten. Ein chronologischer Aufbau, der Politik und Privates zugleich betrachtet, wäre stimmiger gewesen. Zudem wurde innerhalb der Kapitel sehr häufig detaillierter auf die Politik der Kanzler eingegangen als auf deren Familiensituation. Ausnahmen bildeten hierbei die Wiedergabe der angespannten bis gespielten Familienidylle im Hause Kohl und die Beschreibung des distanzierten Verhältnisses zwischen Willy Brandt und seinen Angehörigen. Die Zerrissenheit zwischen Amt und der Rolle des Familienvaters wird bei fast allen Kanzlern offenbar. Denn oftmals blieb den Politikern nicht mehr als die Rolle des Wochenendvaters; Frau Merkel einmal ausgenommen.
FAZIT
Politik trifft auf Privatleben - eine spannende Thematik, die durchaus eine Lektüre wert ist.