Bei diesem Werk hält sich meine Begeisterung eher in Grenzen. Der Autor bliebt im Erzählrahmen der „Qualitätsmedien“: Russland, der Feind, der sonst keine anderen Sorgen hat, als den Westen zu provozieren usw. Dazu zählt u.a. auch die von 1-Stern Rezensenten erwähnte Geschichte, die Teltschik der russischen Seite ankreidet. Dies wird hier paarmal aufgeführt, ohne weiteren Erkenntniswert und auch ohne Beweise/ Belege. Wie die gut informierten Quellen berichten: Propaganda funktioniert nach dem Prinzip „Steter Tropfen höhlt den Stein“, i.e. je öfter etwas wiederholt wird, unabhängig vom Wahrheitsgehalt der Aussage, wird diese mit der Zeit in der öffentlichen Wahrnehmung für solche gehalten. Da gibt es noch andere Stories dieser Art, die man schon aus Leitmedien kennt. Diejenigen also, die ihre Meinung über Russland aus Leitmedien erfahren, und deren Weltbild von dieser Ideologie geformt ist, wird sich in diesem Buch wohlfühlen.
Außer dass Telschik Feindbild Russland in den Köpfen der Leser zu verfestigen sucht, gibt er sich doch redlich Mühe, die heutige gefährliche Lage objektiv zu beschreiben, in dem er sowohl die Position des Westens von der „Wir sind die Guten“ Warte her darlegt und, was schon fast überraschend vor o.g. Hintergrund wirkt, die Interessen Russlands recht adäquat wiedergibt.
Als außenpolitischer Berater Kohls und Vorsitzender der Münchner Sicherheitskonferenz ist Teltschik Teil des Systems. Aber! Er kennt die grundlegenden Interessen Russlands, plädiert dafür, dass diese ernstgenommen werden, und ruft zur Entspannungspolitik auf.
Selbst unter Reagans Regierung, schreibt er, die in der öffentlichen Wahrnehmung als reaktionär eingepflegt wurde, was nach Angaben des Autors eine Verleumdung ist, hätte es immer gute, annehmbare Angebote für Russland gegeben. Heute ist es nicht mehr der Fall. Heute wird einfach vorausgesetzt und für selbstverständlich genommen, dass Russland nachgibt. Das ist eine sehr gefährliche Entwicklung, schreibt Teltschik, man spiele so russisches Roulette, und wenn man Pech hat, kann das Spiel ernste Konsequenzen haben, v.a. für Deutschland.
Er analysiert u.a. die westlichen Beziehungen zu Russland seit dem Ende des 2. Weltkrieges, nennt Fehler, die beide Seiten gemacht haben, sagt, was Russland oder der Westen, aus seiner Sicht, hätten besser machen können.
Teltschik nennt auch ganz klar den alten Alptraum der westlichen Plutokraten: Eine geschlossene wirtschaftspolitische Zone von Portugal bis Wladiwostok als Grund für ihre Bemühungen, alles Mögliche und Unmögliche zu tun, um diese Pläne zu verhindern. Er erklärt auch warum. Nicht von der Hand zu weisen.
Seltsamerweise wurde Breschnew in Teltschiks Darstellung als Aggressor dargestellt. Wer Breschnew Biographie von Susanne Schattenberg gelesen hat, konnte von ihm den Eindruck eines überzeugten Pazifisten gewinnen, der, nach all den Schrecken des 2.ten Weltkrieges alles in seiner Macht Stehende tat, um die Beziehungen zwischen Russland und dem Westen zu verbessern und eine Politik der Entspannung einzuleiten.
Breschnew tat in den siebziger Jahren des 20 Jh. das, wofür auch Teltschik plädiert. Es ist hilfreich, schreibt er, dass man einander besser und persönlich kennt, dann kann man gute Lösungen finden, denn Entfremdung und Dämonisierung sind nur dann möglich, wenn der Gegner wenig bekannt und möglichst entmenschlicht ist.
Teltschik bringt die mittlerweile als historisch bezeichnete Rede Putins von der Münchner Sicherheitskonferenz 2007 recht ausführlich, gerade deshalb, weil dort die russische Position und die russische Sicht der Dinge, die heute immer noch gelten, klar dargelegt wurde. Besser, man kennt den Inhalt, bevor man darüber urteilt. Die Reaktion der Leitmedien darauf fehlt hier auch nicht, wobei für mich nur schwer nachvollziehbar ist, wie man diese Rede so gründlich missverstehen, so von hinten durch die Brust ins Auge interpretieren konnte. Die Vermutung liegt nahe, dass man sie gar nicht richtig verstehen wollte. Das passte nicht zum transatlantischen Kurs. Wenn man Inhalte solcher Werke kennt wie „Lügen die Medien?“ v. J. Wernicke, „Macher hinter den Kulissen“ v. H. Ploppa, „Wer regiert das Geld“ und „Angst der Eliten“ v. P. Schreyer, „Fassadendemokratie und Tiefer Staat“ und „Der Tiefe Staat schlägt zu“ Hg. U. Mies, „Armageddon im Orient“ und andere Werke von M. Lüders, „Die grosse Heuchelei v. J. Todenhöfer“ uva., dann weiß man, warum die Reaktion der „Qualitätsmedien“ so ausgefallen war und die Inhalte so an die Leser weitergegeben wurden. Lesen Sie auch das Buch von Th. Röper „W. Putin. Seht Ihr, was Ihr angerichtet habt?“ sowie „Putin Interviews“ mit Oliver Stone. Damit ist Ihre Lesezeit sehr gut investiert.
Den Ukraine-Konflikt interpretiert Teltschik auch so, wie die Leitmedien es den Lesern verkauft haben. Da klingt er wie ein überzeugter Transatlantiker. Keine Rede von Unsummen an US Steuergeldern, die in die Destabilisierung des Landes geflossen sind uvm., s. z.B. „Wir sind immer die Guten“ von M. Bröckers/ P. Schreyer.
Auch wenn Teltschik so einige Ursachen und Zusammenhänge erst gar nicht erwähnt und so manche politische Gegebenheit, wie viele vertane Chancen, schlicht als solche nimmt, als wären sie quasi als Fertigprodukt vom Himmel gefallen, wodurch seine Ausführungen stellenweise wage/ schwammig wirkten, wenn es ins Eingemachte ging, so versucht er doch, für die Probleme, die da sind, einige Vorschläge zu ihrer Lösung zu unterbreiten. Er empfiehlt, andere Haltung einzunehmen „…die russischen Interessen ernst zu nehmen und Kompromisse einzugehen“. Die Hauptbotschaft, die man auch am Ende seines Buches liest, lautet: „Wir sollten zusammenarbeiten, die bereits errichteten Brücken weiter pflegen, neue Brücken bauen. Es gibt viele Möglichkeiten… Fangen wir wieder an.“
Fazit: Vom Grundgedanken und der Hauptbotschaft her: gut. Die Stärke dieses Werkes liegt darin, dass hier oft unterschiedliche Sichtweisen präsentiert wurden, die des Westens und die Russlands. Alle Punkte des Inhaltverzeichnisses sind gut aufgeschlossen. So manches ist aber zu politisch korrekt, v.a. ggü. dem Westen. Kritisches ggü. Washington, wie die Alleingänge bei den Entscheidungen im Kampf gegen Terror, ist zwar auch da, aber äußerst milde, sehr politisch korrekt zum Ausdruck gebracht.
Ein weiterer Nachteil: Es gibt keine Quellenangaben. Alles bewegt sich auf dem Hören-Sagen-Niveau.
Wenn man die Meinung des langgedienten Transatlantikers erfahren möchte, kann hier zugreifen. So manche haltlose Behauptung aber, wie die, die vom 1 Sterne Rezensenten erwähnt wurde, und so manches andere dieser Art, muss man dabei wohl in Kauf nehmen, wohl wissend, dass es sich hier um bloße Behauptung handelt, die dem Leser als Tatsache verkauft wird.
Max. 3 Sterne kann ich hier vergeben.