Hubert Fichte ist heutzutage, wie seine Romane, fast vergessen. Nicht umsonst habe ich dieses Buch für ein paar Euros in Berlin gebraucht gekauft. Es lag in einem Regal, verlassen und voller Staub, ebenso traurig wie das Kind auf dem Buchumschlag. Fichte ist aber ein Autor, der gerne wiederentdeckt werden könnte, insbesondere in diesem historischen Moment, in dem Turbulenz und Uneinigkeit eine große Rolle spielen. „Das Waisenhaus“ ist nur am Rande ein Roman über den Krieg. Er erzählt eine Geschichte des Wachstums im Leiden, als ein Kind, der kleine Detlev, von seiner Mutter weg von Hamburg gebracht wird, um weit von Flammen und Bomben ein bisschen Ruhe zu erleben, während seine Heimatstadt zerbombt wird. Der kleine, der nicht weiß, dass sein Vater ein Jude ist, muss mit einer anderen Realität zurechtkommen, der einzige Protestant in einer christlichen Gemeinschaft. Verwirrt, verlaufen, konfus verbringt Detlev die Zeit mit seinen neuen Kameraden, ohne sich selbst wirklich zu finden. Ein Roman über Zweifel, über die Unerbittlichkeit der Einsamkeit, einigermaßen autobiografisch, sicherlich beeindruckend. Vor allem, sehr gut ge- und beschrieben. Eine kleine Überraschung, die in meinem Buchregal seit anderthalb Jahren stand, die nur auf die Gelegenheit wartete, wiederentdeckt zu werden. Eine herzliche Empfehlung meinerseits.
Die vergessene Zeit des Wachstums im Leiden