In diesem Buch werden von Hubertus Becker, der laut Klappentext selbst 20 Jahre Hafterfahrung hat, verschiedene Aspekte des Strafvollzugs angesprochen. Dabei geht es nicht wie in anderen Büchern um mehr oder weniger melodramatische Einzelschicksale. Stimmen aus dem Knast kommen nur sehr wenige zur Sprache, wenn es um die Verdeutlichung von der Aufnahme oder auch Dolmetschen bei ausländischen Gefangenen geht.
Stattdessen werden von der grundlegenden Erfahrung des Gefangenseins über die Leitung, die Wärter, Sprache, Subkulturen, Sicherungsverwahrung etc. unterschiedliche Aspekte angesprochen und beleuchtet. Dass dies auf 200 Seiten nicht erschöpfend passieren kann, versteht sich von selbst. Stattdessen werden zahlreiche grundlegende Informationen gegeben und vor allem Fragen aufgeworfen.
Dass der Autor dem deutschen Strafvollzug kritisch gegenübersteht, ist nicht zu leugnen, eine objektive, nüchterne Betrachtung ist es nicht. Dabei geht es nicht um die Infragestellung krimineller Handlungen (also wie in den 1970ern, als die große Frage gestellt wurde, ob es nicht einfach nur die Gesellschaft ist, die durch ihre Zuschreibung Handlungen zu kriminellen Handlungen werden lässt), sondern um die Infragestellung der Realität deutschen Strafvollzugs im Hinblick auf Besserung und Reintegretation der Täter in die Gesellschaft. Im Gefängnis- so Becker - findet eher eine Asozialisierung statt - durch die Haftbedingungen, die mangelnde Förderung, das Herausnehmen aus Situationen statt deren Verbesserung und durch professionelle Kontakte. Der Kleinkriminelle wird sozusagen geschult.
Viele Punkte sind bedenkenswert und Becker schreibt eine sehr elegante, aber deutliche und klare Prosa. Es sind zahlreiche Zitate enthalten, einiges habe ich wiedererkannt, da ich mich mit dem Abolitionismus (also der Abschaffung der Gefängnisse) als Bewegung der 1970er Jahre beschäftigt habe. Ich kann das Buch daher jedem empfehlen, der sich für dieses Thema interessiert, denn auch die ganzen True Crime Serien, Podacsts und so weiter enden da, wo die die Knasttür den Täter von der Geselllschaft trennt. Becker wirft einen fragenden Blick hinter diese Türen.