Als Journalist habe ich lange auf dieses Buch gewwartet, das etwas später als geplant erschienen ist. Gelesen habe ich es erst jetzt - mit genug Ruhe. Die braucht es auch, denn die Reportagen von Hugo von Kupffer aus dem 19. Jahrhundert sind kein leichter Stoff.
Hugo von Kupffer, geboren 1853 in Sankt Petersburg, gilt als Vorreiter der Reporter in Deutschland. Orientiert hat er sich an den amerikanischen Reportern. Feuilletonisten waren ihm ein Graus. Selbstverständlich sehen Reportagen heute anders aus, aber die Grundsätze von damals gelten tatsächlich auch heute noch.
Der Repporter berichtet in seinen Reporterstreifzügen vom Leben Berlins, einer damals wachsenden Metropole. Er gewährt Schlüsselloch-Momente, beschreibt, was sonst niemand zu sehen bekommt. Auffällig: von Kupffer erlubt sich kaum einmal eine Meinung, fühlt sich der Neutralität verpflichtet. Er spricht von seinem "Vorsatze, in diesen Reporterstreifzügen nüchterne Objektivität aufrecht zu erhalten".
Die klare Trennung von Bericht und Meinung wird heute immer seltener. Manche Leser bedauern das. Allerdings wirkt es auch so, als lasse sich der Reporter von Kupffer von seinen Gesprächspartnern vereinnahmen.
Keine Frage: Die Berichte aus dem Schlachthof, aus Gefängnissen, aus der Kanalisation, aus Gerchten und dem Zirkus Renz sind informativ. Der Leser gewinnt ein Bild vom Berlin des 19. Jahrhhunderts. Dazu gehört auch die Todesstrafe, die damals noch vollstreckt wurde. Und so verfolgt von Kupffer auch den Tod eines Mörders und beschreibt das Geschehen.
Die "Reporterstreifzüge" sind für Journalisten besonders wertvoll, aber auch Berlin-Freunde kommen voll auf ihre Kosten. Mühsam ist aber hier und da das Lesen. Die ate Sprache und auch die Orthographie von damals machen das Lesen nicht leicht. Wer sich aber auf das Buch einlässt, wird seine Freude daran haben.