Rezension zu "Biologie der Realität" von Humberto R. Maturana
"Ohne Sprache und außerhalb der Sprache gibt es keine Objekte." - "Da wir Menschen Objekte in einem Bereich der Objekte sind,den wir selbst hervorbringen und in Sprache weiterbearbeiten, ist Sprache der uns eigentümliche Bereich der Existenz,der uns eigentümliche kognitive Bereich." - "Die westliche Kultur, zu der wir modernen Naturwissenschaftler gehören, schätzt Emotionen gering oder betrachtet sie zumindest als Quelle willkürlicher Handlungen, die unzuverlässig sind, weil sie nicht der Vernunft entspringen. Diese Einstellung macht uns blind für die Mitwirkung unserer Emotionen an allen unseren Handlungen, blind für die Körperlichkeit, die unsere Handlungen überhaupt erst möglich macht und die Bereiche festlegt in denen sie ablaufen. Es ist diese Blindheit,so behaupte ich, die unser Verständnis sozialer Phänomene einschränkt."
Humberto R. Maturana ist Biologe. Natürlich ist er noch viel mehr Mensch und als solcher will er auch verstanden werden, wenn er Wissenschaft betreibt. Er betreibt sie mit Leidenschaft und vom Ethos beseelt. Das faszinierende an diesem, seinem wichtigsten Buch ist, daß es so verdammt schwierig zu lesen ist,d aß ich gar nicht anders kann, als beim erstenmal vieles zu überfliegen. Beim Wiedereintauchen find ich dann bergeweise übersehene Schätze. Ein wahres Buch für Entdecker.
Das Grundthema: Lebewesen leben mit ihrem Nervensystem. Jedes Nervensystem ist geschlossen. Wir sind in unserer Subjektivität gefangen. Die Wirklichkeit existiert für uns im Sinn unserer Sinne. Aber auch im Sinn unserer Sprache. Denn das spezielle am Menschsein ist, daß der Mensch durch Sprachhandeln (Konversation) Wirklichkeit objektiviert. Weil aber Objektivität immer von Subjekten gedacht wird, in Sprache, ist Objektivität niemals etwas von Subjektivität losgelöstes, sondern immer in diese eingebunden.
Subjektivität ist die unüberwindbare Grundbedingung des Menschseins. "Jeder Mensch steht als autopoietisches System allein auf der Welt. Wir wollen jedoch nicht beklagen, daß wir in einer subjektabhängigen Realität existieren müssen. Auf diese Weise ist das Leben interessanter, denn die einzige Transzendenz unserer individuellen Einsamkeit, entsteht durch die konsensuelle Realität, die wir miteinander schaffen, d.h. durch die Liebe zueinander."
Nicht die Objektivität, die im Namen der Rationalität verfeuert wird, ist die Zukunft der Menschheit,sondern die Objektivität, die im Namen der Emotionalität entschleiert wird.