Im letzten Jahr las ich " Vertraute Welt", von Südkoreas aussichtsreichstem Nobelpreiskanditen Hwang Sok-Yong. Mit "Dämmerstunde" erhielt dieser bewegende Roman eine Art Nachfolger, der jedoch komplett unabhängig zu lesen ist und mit "Vertraute Welt" vor allem seinen Handlungsort Seoul gemein hat.
In wechselnden Kapiteln begleiten wir zwei Koreaner*innen durch ihre Leben. Bak Minu, heute erfolgreicher Geschäftsmann, wird nach einer Nachricht, die er von von seiner Jugendliebe erhältl, von Ereignissen seiner Kindheit und Jugend heimgesucht. Aufgewachsen in einem Armenviertel waren diese Jahre für ihn geprägt von Bandenkriminalität und Entbehrungen.
Auf der anderen Seite haben wir eine junge Frau namens Uhi, deren Herz für das Theater schlägt. Jedoch stammt auch sie aus eher bescheidenen Verhältnissen und so bleibt ihr Traum, ihr Leben als Regisseurin zu bestreiten zunächst genau das - ein Traum.
Diese beiden Leben kreuzen sich, doch warum eigentlich, das stellt sich erst ganz am Schluss der Erzählung heraus.
Für mich war "Dämmerstunde" nicht immer ganz einfach zu begreifen, und ich denke, ein gewisses Wissen (oder zumindest Interesse) über die in Korea vorherrschenden Strukturen ist von Vorteil, um diesen tiefsinnigen Roman richtig zu genießen.
Das Erzähltempo empfand ich als sehr angemessen, im großen und Ganzen empfand ich es jedoch leichter, der Geschichte von Uhi zu folgem, die sich nämlich mehr in der Gegenwart abspielt. Die Zeitsprünge in den Kapiteln von Bak Minu waren für mich manchmal schwer einzuordnen, sodass ich das Gefühl hatte, etwas den Überblick zu verlieren.
Ganz besonders gut gefallen hat mir die Auflösung der Geschichte und auch der Ausblick auf die Zukunft der beiden Protagonisten. Philosophische und auf jedenfall tiefsinnig mit Potential und Platz für eigene Gedanken und Interpretation - von mir gibt es 3,5 🌟