Stellen sie sich vor, sie betreten einen fremden, völlig verdunkelten Raum und tasten sich langsam vorwärts, um die Umrisse zu erfühlen. So ähnlich wird es ihnen mit den achtzehn hier versammelten Erzählungen ergehen. Man weiß als Leser nie, was als nächstes passieren wird, alles ist möglich, vieles wird angedeutet, das Unheil verkündende bleibt. Es sind merkwürdige Begebenheiten, die von alltäglichen Erlebnissen ausgehen, unerwartet im Surrealen und Traumhaften enden. Der japanische Autor war Germanist und veröffentlichte diese Geschichten bereits im Jahr 1921, endlich liegen sie in deutscher Sprache vor. Wie in einem Traum passieren hier die absurdesten Dinge, werden seltsame Dialoge geführt: Ein Mann, der plötzlich einen Pferdekopf trägt, ein Männlein, das sich beim genaueren Hinsehen als Ameise entpuppt oder eine Frau, die hinter sich das Land in Flammen aufgehen lässt. Die Erzählungen, die sich wie Haikus lesen, vielseitig deutbar sind und eine große visuelle Kraft ausstrahlen, werden mit nur wenigen Andeutungen urplötzlich zu phantastischen Gebilden. Hier zeigt sich, warum der Autor einen so starken Einfluss auf den japanischen Regisseur Akira Kurosawa und dessen Film „Träume“ ausübte: Die Dialektik von Naturverbundenheit und Naturmystik vor dem gesellschaftlichen Hintergrund ist allgegenwärtig. Alle Protagonisten befinden sich in einem Zwischenreich und die Motive dieser Geschichten sind somit zum Teil der japanischen Mythologie entliehen, was man dem gelungenen Nachwort mit Informationen zu Autor und Werk entnehmen kann. Wer also gerne subtile und stringent erzählte Geschichten im Stile von Franz Kafka, Edgar Allan Poe oder Philip K. Dick lesen möchte, die ebenfalls meist ohne spannungsgeladene Actioneffekte auskommen, dem seien diese obskuren und eigenartigen Storys des Japaners Hyakken Uchida sehr ans Herz gelegt.
Abgründig, dicht, verstörend, eben Gänsehaut pur!