Cover des Buches Nördlich der Mondberge (ISBN: 9783462046557)
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Rezension zu Nördlich der Mondberge von I. J. Kay

Ungewöhnlich, vielschichtig, faszinierend!

von Havers vor 9 Jahren

Rezension

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Haversvor 9 Jahren

„Lulu“ Louise Adler ist Anfang dreißig und nach zehnjähriger Haft frisch aus dem Gefängnis entlassen. Sie steht vor dem Nichts: keine Wohnung, keine Arbeit, und – was noch viel schlimmer ist – keine Identität. Ein Unterschlupf ist schnell gefunden, auch wenn man dieses Drecksloch ohne Heizung, aber dafür mit einer beachtlichen Rattenpopulation schwerlich als Wohnung bezeichnen kann. Gelegenheitsjobs sichern ihr zumindest das Überleben. Bleibt die Frage nach dem „Wer bin ich?“ und „Woher komme ich?“, existenzielle Fragen, für deren Beantwortung Lulu sich mit ihrer Vergangenheit auseinandersetzen muss.

Ein schmerzhafter Prozess, der alte Wunden wieder aufreißt, als sie sich an ihre gestohlene, lieblose Kindheit in einer dysfunktionalen Unterschichtsfamilie erinnert. Überlebenshilfe bietet einzig ihr Buch, ein Geschenk ihres geliebten Großvaters, mit dessen Hilfe sie sich nach Afrika träumt, wo sie als Masai-Kriegerin ein Leben in Freiheit und Würde lebt. Schade nur, dass dieses Afrika eine Brache in einem Londoner Vorort ist.

Aber manchmal gibt es eben doch Wunder. Manchmal wird auch eine große Sehnsucht gestillt, in diesem Fall durch eine Entschädigungszahlung für die Haftstrafe, die es Lulu endlich ermöglicht, nach Uganda zu den Mondbergen zu reisen.

Die Britin I. J. Kay schreibt unter Pseudonym, und der mit dem Authors‘ Club Best First Novel Award ausgezeichnete Roman „Nördlich der Mondberge“ ist ihr Debüt. Wie ihre Protagonistin hat auch sie Verbindungen nach Afrika, denn sie lebt abwechselnd in England und in Gambia.

Ihre Art des Erzählens ist ungewöhnlich und gerade deshalb so interessant. Nichts ist linear. Alles ist fragmentarisch, ob das nun die Erinnerungen oder das Erleben der Protagonistin ist. Es sind immer nur Miniaturen, die erst allmählich ein großes Ganzes ergeben.

Die Personen sind ebenfalls vielschichtig und im permanenten Wandel begriffen, was auch beispielsweise durch die unzähligen Namen für ein und dieselbe Person, in diesem Falle Lulu, deutlich wird. Mal nennt sie sich Catherine, dann wieder Kim oder Beverly. Aber man könnte dies auch als Beleg für viele Fluchten und multiple Persönlichkeiten werten.

Faszinierend ist die Sprache, die schrägen Wortschöpfungen, die aber immer mitten ins Schwarze treffen. Kay arbeitet mit vielen Metaphern, manchmal klischeehaft, oft aber genau in den Zusammenhang passend. Grandios!

„Nördlich der Mondberge“ bietet ein außergewöhnliches Leseerlebnis, weshalb ich diesen Roman nachdrücklich empfehle.

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