Cover des Buches Honig (ISBN: 9783257243048)
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Rezension zu Honig von Ian McEwan

Politik, Mathe und Sexualkunde

von katiandbooks vor 6 Jahren

Kurzmeinung: Wie immer ein großartiger Schreibstil, die Geschichte setzt aber zu viel politisches Wissen voraus und die Liebesgeschichte funkt nicht

Rezension

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katiandbooksvor 6 Jahren
London in den Siebzigern: Die junge Serena Frome arbeitet beim britischen Geheimdienst MI5 in der Registratur. Die Arbeit ist eintönig und Serena hält sie für unbedeutend und unter ihrer Würde, bis sie eines Tages auf eine Mission geschickt wird. Sie soll einem aufstrebenden Autor, von dem geglaubt wird, er könne regierungsfreundliche Texte schreiben, Fördergelder anbieten. Die lesebegeisterte Serena operiert undercover. Und verliebt sich.


Ja, die gute Serena verliebt sich im Laufe der Geschichte nicht nur einmal. Alles, was bei drei nicht auf dem Baum ist, reißt sie sich unter den Nagel, und vielleicht ist es das, weshalb ich Ian McEwan die große Liebe hier nicht abgekauft habe. Nach einer sehr langen Vorgeschichte, in der die junge Frau von Liebhaber Nr. 1 bis 3 erzählt und auch noch sämtliche Kurzgeschichten des besagten Autors herunterbetet, ist dem Leser glasklar, was kommen wird. Sie schnappt sich Liebhaber Nr. 4, den zu fördernden Autor, Tom Haley. Aber die großen Gefühle bleiben aus, zumindest bei mir. Sei es, weil sie bereits drei andere Kerle rumgekriegt hat oder diese Liebeleien insgesamt sehr leidenschaftslos vonstatten gingen - so oder so, es funkte auch nicht zwischen Serena, Tom und mir, genauso wenig wie bei den anderen Männern.


Möglicherweise lag es auch an den ganzen anderen Themen, die der Roman aufwirft, vor allem politische. Hier wird so ziemlich die ganze Palette vom zweiten Weltkrieg bis zur aktuellen Lage in den 1970er Jahren abgearbeitet und das natürlich in Großbritannien. Da muss ich einfach zugeben: ich hatte keinen blassen Schimmer, was der Autor mir da sagen wollte. McEwan schafft es nicht, die damalige Politik so zu erklären, dass es ein Laie versteht und setzt zu viel Wissen voraus. Wenn man, wie ich, gerade so die IRA mit Nordirland und Bombenanschlägen in Verbindung bringen kann, wird vermutlich auch nur Bahnhof verstehen und nach Beendigung des Buches genauso schlau sein wie vorher. Manchmal hatte ich sogar noch beim Lesen das Gefühl, dass ich gerade genauso gut nichts hätte lesen können, so wenig habe ich verstanden, und am Ende war mein Kopf leerer als vorher.


Und dann kam auch noch Mathe dazu ... Nee, oder?


Leider hakt es auch bei den Figuren. Serena bleibt während der kompletten Geschichte unsympathisch und Tom äußerst blass. Am Ende kann man sich zwar ganz gut zusammenreimen, warum Serena so dargestellt wurde und dann ist es auch gut gemacht, doch bis dahin hatte ich kaum noch Lust, der Geschichte überhaupt noch zu folgen.


Komischerweise hat mir der sehr lange Anfang mit Serenas diversen Affären noch am besten gefallen. Als endlich die eigentliche Handlung losgeht, war bei mir direkt die Luft raus. Auch die total unnötigen Zusammenfassungen von Tom Haleys Kurzgeschichten mochte ich sehr. Gut, das hatte nichts mit der Handlung zu tun, aber endlich mal keine Politik!


Dabei hat McEwan, wie immer, einen so phantastischen Schreibstil, den ich auch hier wieder sehr gerne gelesen habe. Aber ... tja ...


Fazit: Insgesamt muss ich leider sagen, dass mir Honig einfach nicht gefallen hat. Es ist zu lang (McEwan hat ein paar großartige Kurzromane geschrieben, und 200 Seiten weniger hätten diesem Roman ebenfalls gut getan), es setzt zu viel politisches Wissen voraus, die Liebesgeschichte funkt nicht und die Figuren machen auch nicht viel her. Der bei Diogenes sowieso schon sehr knapp und nebulös gehaltene Klappentext liest sich aufregender als das Buch. Wie immer ist Ian McEwans Schreibstil großartig, doch wer noch nichts von ihm gelesen hat, sollte besser nicht hier beginnen. Von mir gibt es (leider) nur 2,5**.
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