Cover des Buches Letzter Sommertag (ISBN: 9783257057133)
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Rezension zu Letzter Sommertag von Ian McEwan

Rezension zu "Letzter Sommertag" von Ian McEwan

von Hallogen vor 14 Jahren

Rezension

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Hallogenvor 14 Jahren
Es gibt Bücher, die liest man und danach fragt sich, worum es da eigentlich gerade ging. Die Geschichten sind recht inhaltsarm, oft mehr als Bilder zu bezeichnen, und immer bemüht Blut, Urin, Sperma und Kot (habe ich noch was vergessen? Ach ja: Kotze natürlich auch) einzubauen. Wahrscheinlich Mitte der 1970er Jahre ein Skandal, aber es hätte mich auch damals kaum angesprochen (wenn ich da schon gelebt hätte). Ich kann mit Sicherheit sagen, dass ich nie ein Buch McEwans kaufen werde, aber weil er dennoch fähig ist, Bilder zu erschaffen, die hängen bleiben, gibt es zwei Sterne. Trotz der Befähigung des Autors hatte ich danach das Bedürfnis, mal wieder was Gutes zu lesen. Er beschreibt detailliert, wird dabei aber erstaunlich selten langatmig. Am besten hat mir noch die Erzählung mit der Schaufensterpuppe ("Der kleine Tod") gefallen, nur hatte ich nicht nur bei dieser ein ungutes deja-vu-Gefühl: Haben nicht schon Jean Paul, E. T. A. Hoffmann oder Eichendorff vor 200 Jahren über das Thema geschrieben? Und die Witze ("Endlich mal jemand der zuhört.") waren da auch schon vorhanden... Überhaupt: woran erinnert mich das Stecken in den Backofen? Der 'abenteuerliche' Sommer am Fluss? Habe ich nicht schon bei H. G. Wells was vom brutal harten Tellerwäscheralltag gelesen? Und vom symbolischen Aufgeben des Traums durch Werfen ins Wasser? Nun gut, vielleicht ist das ja alles nur Zufall. Der Autor ist durchaus in der Lage zu Schreiben, nur könnte er ab und zu auch mal andere Bilder finden als: 'Der Tunnel war gefliest wie ein Pissoir'. Am gelungensten fand ich das Endbild der Titelerzählung, die auch den Schlüsselsatz "Ich musste daran denken, dass wir nur Tiere mit Kleidern sind, die ganz merkwürdige Sachen machen, wie Affen auf einer Teegesellschaft." enthält, der wohl ausreichend verdeutlicht, was er in all seinen Erzählungen darstellen will. Ein anderes wiederkehrendes Bild ist der Aus-/Umzug und damit meist die Trennung. Sehr gewagt ist das relativ widerliche "Zwischen den Laken", denn im Endeffekt weckt er damit Verständnis für Pädophilie. "Hin und Her" war mir zu poetisch-verkopft, "Psychopolis" beschreibt den Wahnsinn von Los Angeles, wo reale Schicksale niemand sonderlich kümmern, "Gespräch mit einem Schrankmenschen" finde ich psychologisch nachvollziehbar, reißt mich aber nicht vom Hocker, "Erste Liebe, letzte Riten" hat prägnante Bilder, aber die Symbolik kenne ich schon von Wells, "Betrachtungen eines Hausaffen" setzt sich mit der Schaffenskrise einer Schriftstellerin auseinander, "Zwei Fragmente" ist eine düstere Zukunftsvision, nur dass für uns die 1990er schon eine Weile vorbei sind, und dann doch nicht ganz so krass waren...
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