Cover des Buches Nussschale (ISBN: 9783257069822)
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Rezension zu Nussschale von Ian McEwan

Im letzten Trimester....

von Miamou vor 7 Jahren

Kurzmeinung: Ich fands interessant, zynisch, bissig, wort - und bildgewaltig...trotzdem aber auch mit einigen Längen!

Rezension

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Miamouvor 7 Jahren

Eine Dreiecksgeschichte ist ja nun nicht unbedingt etwas Neues. Was bei Ian McEwan aber neuer ist, es gibt einen stillen Beobachter – nämlich ein ungeborenes Kind, welches die Geschehnisse rund um seine Mutter Trudy, deren (Ex - )Mann und dessen Bruder mitkriegt und kommentiert, auch wenn es dies nur für den Leser tun kann. Trudy ist im letzten Trimester schwanger, sie liebt Claude, den Bruder ihres Mannes und will sich deswegen endgültig trennen. Der werdende Vater will seine Familie nicht so einfach aufgeben und stellt Trudy daher ein Ultimatum. Da sie aber nicht darauf eingehen will, wird beschlossen den unliebsamen Ehemann ins Jenseits zu befördern.


Ein literarisches Experiment, welches es durchaus in sich hat. Nicht nur, dass die Idee einen Baby im Mutterleib erzählen zu lassen doch eher ungewöhnlich ist, so ist dieses Baby doch schon fast altklug und so weise, als ob es schon ein ganzes Leben hinter sich hätte. Trotzdem muss es hilflos zusehen, wie die eigene Mutter den eigenen Vater umbringt und macht sich zum Mitwisser, der aber nicht in das Geschehen eingreifen kann. Erst als es zum Showdown kommt, mischt das Baby ordentlich mit.


Eine ziemlich radikale Idee, die auch eine gehörige Portion an (schwarzen) Humor, Zynismus und Bissigkeit braucht. Der Held (also das Baby) erlangt sein Wissen über den Fernseher, den Radio oder den Podcasts, mit denen sich seine Mutter in den Schlaf schaukelt. Er wirkt dann auch an manchen Stellen sehr reflektiert und nimmt sogar zu aktuellen politischen Themen Stellung. Alles mit einem enorm feinen Unterton (wie man dies ja von den Engländern kennt).


Als Leser darf man nicht, wie es sonst in Büchern üblich ist, auf eine Vielzahl von Figuren oder Schauplätzen hoffen. Es gib genau fünf Figuren und einen Schauplatz, was aber sehr authentisch wirkt, da aus der Sicht eines ungeborenen Kindes erzählt wird, das eben nur seine direkte Umgebung wahrnehmen kann. Und es ist für den Leser erstaunlich, wie es das tut.


Trotzdem hatte das Buch für mich auch an der einen oder anderen Stelle seine Längen, wenn unser Held mal zu ausschweifend in seinen Reflexionen wurde. Zudem war es dann zwischendurch einfach zu sexlastig, so dass man irgendwann denkt „gut, jetzt hab ichs aber schon!“ (auch wenn es durchaus mal was anderes ist, die Sicht eines ungeborenen Kindes auf die ganze Sache zu sehen). Was mich auch direkt zur Mutter führt, deren Verhalten nicht nur was den Mord am Kindsvater betrifft, sondern auch in andere Hinsicht einfach jenseits von Gut und Böse war. Und auch wenn man dieses Verhalten unter den Schleier des von mir vorher gelobten feinen Humors betrachtet, war es dann doch zu viel, wenn man nur die Mutter ins Blickfeld nimmt.


Trotzdem ein etwas anderes Buch, dass man schon lesen kann. 3,5 Sterne von mir.

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