Rezension zu "Aether" von Ian R. MacLeod
Aether ist ein fantasievoller abwechslungsreich-bunter Roman, schon allein ihn in ein Genre zu packen ist schwer, wie auch schon die Leser vor mir festgestellt haben. Er vereint Elemente aus Fantasy, Sci-Fi und Steampunk zu einer gewaltigen Geschichte. Die Vorstellungskraft und Erfindungsgabe des Autors Ian R. MacLeods ist bewundernswert; er beschreibt nie dagewesene Welten und Elemente, entwirft gewaltige Maschinen und Bauten und schöpft neue Wesen. Die Geschichte selbst war für meinen Geschmack stellenweise etwas langwierig aber seine Kreativität in jedem kleinsten Detail und seine riesengroße Fantasie macht das Buch als Gesamtwerk trotzdem zu einem lesens- und sehr empfehlenswerten Werk. Auch wenn man es also zwischenzeitlich vielleicht mal aus der Hand legt, solte man dem Buch auf jeden Fall eine Chance geben und es zu Ende lesen.
Die Hauptperson, eine Junge namens Robert, lebt in einem Zeitalter in einem alternativen England, das nach dem letzten Krieg von Industrialisierung und der Ausbeutung eines neuen Elements namens Aether lebt. Die Blütejahre sind bereits vorbei, das Aether in absehbarer Zeit erschöpft, doch noch laufen in Roberts Heimatstadt Bracebridge riesige Maschinen unter den Fabriken und Werkstädten der Gilden und prägen die gesamte Stadt mit ihrem allesdurchdringenden Lärm, den die riesigen unterirdischen Kolben verursachen. Die Maschinen werden selbst mit Aether angetrieben, so wie sämtliche Versorgung, Telegrafenleitungen, Züge und Bahnen, Brücken und Gebäude alles mit Aether versorgt und von ihm zusammengehalten wird. Gildenmänner und – frauen weben Zauberflüche mittels Aether und vermögen so selbst Verschlissenes und Zerstörtes wieder instandzusetzen, was auf der einen Seite Aether zu einem unverzichtbaren Segen macht, auf der Anderen würde ohne seine Existenz die gesamte Gesellschaft wortwörtlich in sich zusammenfallen. Die reichen Gilden und ihre dekadenten Ranghöchsten hüten das Geheimnis um den Aether und alle Menschen, die keiner Gilde angehören, werden als wertlose „Bracks“ abgestempelt. Roberts Zukunft ist durch die Tatsache, dass sein Vater ein niederer Arbeiter in der Gilde der Werkzeugmacher ist, bereits früh entschieden und um diesem Trott zu entkommen entscheidet der Junge impulsiv nach Lohndon in die große Stadt zu reisen, wo er schließlich selbst als Brack und Gildenloser ein ärmliches doch zufriedenes Leben fristet. Er begegnet dort Menschen verschiedenster Klassen, findet unter ihnen so etwas wie Freundschaft, sieht aethergezüchtete Tiere und Bäume und lernt sogar „Wechselbalge“ näher kennen – welche normalerweise von den Gilden als Unfälle weggesperrt werden. Diese grauenhafte Nebeneffekt den Aether in Einzelfällen entwickeln kann; ein Unfall, ein falscher Zauberspruch oder zu viel Kontakt und ein Arbeiter mutiert, er verwandelt sich langsam und schmerzhaft in eine Art Zauberwesen, ein Troll, und nur wenige der Opfer können ihren klaren Verstand behalten und fortan versteckt und getarnt ihr Leben unter den Menschen weiterführen. Die meisten werden jedoch von der Gilde der Sammler abgeholt, in Anstalten gesteckt, angekettet und dort für Forschungszwecke missbraucht. Nicht mehr als Menschen, nicht einmal als Tiere sondern als Trolle gefürchtet und gemieden, über sie zu sprechen scheint ein Tabuthema zu sein. Robert jedoch interessiert sich aus persönlichen Gründen für diese Wesen, denn er verlor seine Mutter an den Aether, als sie bei einem Fabrikunfall infiziert wurde, sich verwandelte und sich in ihrer Verzweiflung schließlich aus dem Fenster in den Freitod stürzte. Er findet in London, mehr nebenbei und zufällig, Bruchstücke über das Schicksal seiner Mutter heraus schließt sich außerdem einer Arbeiterbewegung an und kämpft in der Revolution für den Niedergang der Gilden, zumindest für bessere Bedingungen für die einfachen Leute. Die Geschichte des Buches beginnt in einer kurzen Szene mit Robert als alten Mann, erzählt anschließend von seiner Kindheit und Jugend und schließt dann wieder mit der anfänglichen Szene. Liest man das Ende, werden einige Unklarheiten beseitigt, Dinge, denen man zu Beginn keine Beachtung geschenkt hatte stehen nun in einem neuen Licht, es schließt sich ein schöner Bogen - der teilweise jedoch etwas lang gespannt wurde, wenn der Autor seitenweise wunderbare Details beschreibt, der Erzählstrang jedoch einfach nicht vorwärtsgeht.
Es ist trotzdem eine schöne Geschichte, ein Querschnitt durch das Leben eines Jungen. Eine Geschichte um Hoffnung, verschiedene Klassen und deren Ansichten, alltägliche Kämpfe und Probleme. Um Macht und Einfluss, alte Werte und althergebrachte Arbeit, um Forschung und die Verhinderung diesen Fortschritts. Und natürlich über Liebe, jedoch in einer ganz ungewöhnlichen Art. Ungewöhnlich wie das gesamte Buch.