Nora ist überhaupt nicht glücklich darüber, dass sie ihre Sommerferien bei Oma Wendy auf dem Land verbringen soll, während Mama, ihr Stiefvater und ihr kleiner Bruder in der Stadt bleiben. Nora fühlt sich abgeschoben. Überhaupt kennt sie ihre Oma Wendy gar nicht richtig. Doch aller Widerstand erweist sich als zwecklos und Nora muss wohl oder übel bei ihrer Großmutter bleiben. Sie versucht, Oma aus dem Weg zu gehen, erkundet allein die Umgebung. Im Wald lernt sie dabei Abbas mit den grünen Augen kennen, der bei Nora Schmetterlinge im Bauch herumflattern lässt. Die beiden verbringen viel Zeit miteinander. Doch nicht alle im Dorf mögen Abbas. Dorrit aus dem Café hat dem afghanischen Jungen gegenüber Vorurteile und behandelt ihn mit Geringschätzung und Verachtung. Und Oma scheint auch etwas über Abbas und seine Familie zu wissen, das sie geheim hält. Was ist da nur los?
Die Geschichte wird kindgemäß und flüssig aus Noras Sicht in der dritten Person Präsens erzählt. Anschaulich und bildhaft schildert Iben Akerlie Noras Erlebnisse, ihre Gefühle und Gedanken. Die Autorin stellt dabei sensibel, aber klar heraus, wie es in Nora aussieht, wie sich der Sommer für sie persönlich zu einem entwickelt, in dem „einfach alles passiert ist“. Das sommerlich bunte Cover mit dem Bild von Nora auf einer blühenden Wiese macht sofort gute Laune, erinnert an eine Bullerbü-Idylle, zeigt aber damit nur eine Seite von Noras Sommer. Das Buch richtet sich an Kinder ab zehn Jahren.
Nora ist kein kleines Kind mehr, muss sich langsam mit dem Erwachsenwerden auseinandersetzen. Sich selbst bezeichnet sie als „eine Art Zwischenmenschen“. Das Mädchen weiß oft nicht, wie es reagieren soll, findet nicht immer die passenden Worte, was auf andere merkwürdig wirken mag. Auch wenn ich manches Verhalten von Nora nicht ganz verstehen konnte, konnte ich es doch irgendwonachvollziehen. Für mich wird sie authentisch und realistisch beschrieben, ist insgesamt ein stimmiger Charakter: ein Mädchen zu Beginn der Pubertät, das mit seinen vielen Gefühlen mitunter komplett überfordert ist. Nora sieht sich als Einzelgängerin, hat zu Hause keine richtigen Freunde. Mit Abbas ist es aber anders. Abbas akzeptiert Nora, so wie sie ist, mit all ihren Eigenheiten. Nora macht ob ihrer vielen neuen Erfahrungen eine Entwicklung durch. So verändern sich auch ihre Beziehungen zu anderen, vor allem die zu den Frauen ihrer Familie. Oma Wendy mit der bewegten Vergangenheit einer weitergereisten Journalistin, die im Umgang mit Kindern so ihre Probleme hat, und Nora nähern sich beispielsweise behutsam einander an. Während Dorrit mit ihren Vorurteilen für Nora und Abbas alles nur schwerer macht… In dieser Geschichte treffen einige besondere Charaktere aufeinander.
Im „Sommer, in dem einfach alles passiert ist“ erlebt Nora ein Wechselbad der Emotionen. Sie fühlt sich zunächst allein und verlassen, erfährt dann die erste Liebe und großes Glück, wird aber auch mit Krieg, Tod, Schuld Geheimnissen und Unrecht konfrontiert. Zudem begreift Nora, was Rassismus und Vorurteile für Betroffene wirklich bedeuten. Hin- und hergerissen zwischen Himmelhochjauchzend und zu Tode betrübt, lernt sie das Leben mit all seinen Facetten kennen. Nora wird in diesem Sommer ein ganzes Stück erwachsener, aber wie jeder auf ganz individuelle Art. Und sie ist dabei nicht allein, bekommt sie doch Unterstützung von verschiedenen Seiten. Kein durchgehend leichtes Sommerbuch, wie das Cover vermuten lässt, eher ein nachdenkliches, aber letztendlich dennoch zuversichtliches. Eine einfühlsam erzählte Geschichte mit besonderer Atmosphäre für alle, für die das Leben gleichermaßen sonnig, wolkig, lakritzsüß und rhabarbersauer, eben kunterbunt, sein kann.