Es ist keine Gebrauchsanweisung, sondern eher eine Art Sammlung von Aufsätzen zu verschiedenen Themen. Manche fand ich sehr interessant, andere so zäh, dass ich auch mal ein paar Seiten überblättert habe. Insgesamt hatte ich den Eindruck, dass hier schon Indien erklärt werden sollte, aber durch die ständigen Themenwechsel kam kein richtiger Lesefluss auf und dazu ist es überwiegend ziemlich trocken geschrieben. An manchen Stellen war es eine Art wissenschaftlicher Aufsatz, dann wieder ging's um den Autor und seine persönlichen Erlebnisse. Merkwürdige Mischung.
Ilija Trojanow
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Worum geht es?
Es geht in diesem Roman um Tambu(dzú), ein junges, etwa zehnjähriges, Mädchen, das in ländlicher Gegend in Zimbabwe aufwächst. Sie hat einen Bruder, Nhamo, der eine zwanzig Meilen entfernte Missionsschule besucht, die von ihrem Onkel geleitet wird, der in England studiert hat und die Familie, die zum Volk der Shona gehört, finanziell etwas unterstützt. Sie leben in einer ganz bescheidenen Hütte und bauen Mais und Getreide an. Als der Bruder stirbt, ergibt sich für Tambu die Chance, statt ihres Bruders die Schule zu besuchen. Sie zieht zu ihrem Onkel Babamukuru und betritt somit eine völlig neue Welt.
Kritik
„Ich war nicht traurig, als mein Bruder starb.“ Mit diesen Worten beginnt das Buch. Und tatsächlich bedeutet es für Tambu, dass ihr Leben nun ganz anders verlaufen wird. Sie hat die Chance auf Bildung, was sie vorher nicht hatte.
„Mein Vater meinte, dies sollte mich nicht bekümmern. ‚Über so etwas macht man sich doch keine Sorgen. Ha-a-a, das ist nichts, beruhigte er mich mit seiner ewigen Bereitschaft, die einfachste Lösung zu wählen. ‚Kannst du Bücher kochen und sie deinem Ehemann vorsetzen? Bleib zu Hause bei seiner Mutter. Lerne kochen und putzen. Pflanz Gemüse.“ (24).
Nhamo war schon seit einigen Jahren auf der Missionsschule und lebte so unter völlig anderen Bedingungen als die Familie im Dorf. Immer, wenn er zu Besuch kam, machte er – so die Ich-Erzählerin – deutlich, dass er etwas Besseres war, dass er auf vieles verächtlich herabsah. Dazu gehört zum Beispiel auch das Sprechen der englischen Sprache statt der Sprache, die die Familie spricht (Shona). Auch boykottiert er einen Versuch von Tambu, selbst Geld zu verdienen, indem sie Mais anbaut, den sie verkaufen möchte. Tambu kann nicht nachvollziehen, wie ihr Bruder sich so weit von seiner Familie entfernen konnte, wie er das „Leben der Weißen“ so favorisieren kann. Später, wenn sie selbst für einige Jahre bei ihrem Onkel gelebt hat, und selbst in ihr Heimatdorf nur zu Besuch zurückkehrt, kann sie diesen Konflikt sehr viel besser verstehen. Diese Szenen, die den Kontrast der Lebenswelten zeigen, sind herrlich eindrücklich beschrieben, ob es nun um das Essen, die Sanitäranlagen, die Dynamik zwischen den Familienmitgliedern oder die unterschiedlichen Lebensmodelle geht.
Bei ihrem Onkel lebt Tambu mit ihrer Cousine Nyasha zusammen, die auch eine Weile in England verbracht hat und „Was hatte ich nur für eine Cousine! Schockierend und komisch, respektlos und unbezähmbar.“ (125). Nyasha rebelliert und erkämpft sich ein großes Stück Unabhängigkeit, etwas, wofür sie aber von der Familie massiv kritisiert wird, das sind die schlechten Sitten der Kolonialherrscher, die sie angenommen habe. Der Onkel hat Angst, dass sie auch moralisch völlig verkommt. Zu Beginn wird ihr der Roman „Lady Shatterley’s Lover von Lawrence weggenommen. Ein deutliches Symbol – so der Onkel - für die losen Sitten der Engländer. Denn tatsächlich sind es zwei Aspekte, die Anerkennung der Autorität des patriarchalen Oberhaupts der Familie und die Sexualität, welche die größten Probleme darstellen.
Es geht in dem Roman also sehr stark um Sexismus, Rassismus, Kolonialismus. Die Autorin stammt aus Zimbabwe und der Roman hat einige autobiographische Züge. Dangaremba hat im Jahr 2021 für die Trilogie um Tambu den Friedenspreis des deutschen Buchhandels erhalten.
Grundsätzlich habe ich den Roman mit großem Interesse und mit sehr viel Spannung gelesen. Gerade das Leben im Dorf, die ganzen Strukturen, die Tagesabläufe, die Hierarchien, haben mir sehr gut gefallen.
Manchmal war es mir zu viel Feminismus, der mir ins Gesicht gerufen wurde. Man hat anhand der Geschichte, der Szenen, der Konflikte der Personen die Benachteiligungen sehr gut verstanden, dafür muss man nicht einmal zwischen den Zeilen lesen. Da hätte es nicht notgetan immer nochmal wieder allgemeine Abschnitte einzufügen, in denen das Los der Frauen ganz allgemein reflektiert wird. Das liest sich etwas wie für den begriffsstutzigen Leser. Denn es sind gerade die unterschiedlichen Frauengestalten und ihre ganz individuellen Wege, die den Roman ausmachen. Die Auswirkungen des Kolonialismus auf die Männer und ihre Probleme werden durch die Ich-Erzählerin weitgehend ausgeblendet. Es ist ein weiblicher Roman.
Ein absolut lesenswerter Coming-of-Age Roman, der tiefe Einblicke in das Leben in Zimbabwe vor Erreichen der Unabhängigkeit gibt.
Die Prämisse des Romans, für jeweils einige Tage in eine bestimmte Zeit und an einen bestimmten Ort reisen zu können (zum »Damalsdort«) ignoriert, wie viele andere Zeitreiseromane auch, die damit verbundenen Paradoxien, erlaubt es aber, in verschiedene geschichtliche Epochen einzutauchen. Die Zeitreisenden gehören einer zukünftigen utopischen Gesellschaft an und möchten die für sie eigentlich unverständlichen Missstände vergangener Epochen besser verstehen, um sie bestenfalls durch gezielte Eingriffe in die Abläufe zu lindern. Dies ist eine interessante und inhaltlich fruchtbare Umkehrung des geläufigen »Was können und müssen wir tun, damit es die nachfolgenden Generationen besser haben?«
Trojanows literarische Leistung besteht darin, mit vielen ungewöhnlichen Sprachbildern, gelungenen Wortschöpfungen und verschieden klingenden Stimmen die Fremdheit der zukünftigen und vergangenen Epochen zu transportieren. Dagegen hat der absatzlose Fluss von Geschehnissen, Gedanken und Dialogen im Präsenz, nur getrennt (und gleichzeitig verbunden) durch Zwischenüberschriften, die Lektüre ohne für mich erkennbaren Mehrwert erschwert. Mehr als zwanzig Seiten am Stück zu lesen, fiel mir schwer. Ähnlich ist es mir übrigens auch mit RCE von Sibylle Berg ergangen. Vielleicht handelt es sich hier ja um eine literarische Modeerscheinung, die auch wieder verschwindet.
Trotzdem bleibt es spannend, die Protagonisten dabei zu begleiten, wie sie versuchen, die fremden Zeitalter zu verstehen und auch mit ihrer utopischen Lebensform zu vergleichen. Diese erschließt sich den Lesenden quasi nebenher, bietet allerdings wenig Überraschendes. Man lebt in Einklang mit der Natur in kleineren Gemeinschaften, die nach dem Konsensprinzip Entscheidungen treffen. Geld und Ungleichheit sind abgeschafft. Keine neuen Ideen also, aber eine neue Art, diese mit den vorhergehenden Ansätzen zur Schaffung einer besseren Welt zu kontrastieren.
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Ilija Trojanow wurde am 23. August 1965 in Sofia (Bulgarien) geboren.
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