„Brotzeit“ wurde von den zwei Präsidentinnen des Slow Living Convivums Salzburg herausgebracht, was alleine schon eine Empfehlung für dieses Buch ist. Es konzentriert sich ganz auf die alte Kunst des Brotbackens, mit traditionellen wie besonders gesunden alten Mehlsorten, und zeigt damit, wie man unser wichtigstes Grundnahrungsmittel nachhaltig, regional, saisonal und gesund herstellen kann.
Der Untertitel des Buches ist dabei Programm, denn hier findet man nicht nur außergewöhnliche Brotrezepte, sondern auch diverse Aufstriche und andere leckere Zutaten zur Brotzeit, dazu die wichtigsten Informationen zu den Grundtechniken des Brotbackens, so dass man wirklich sehr motiviert wird zum Nachbacken.
Optisch ist das Buch eine interessante Verbindung von „table book“ und handlichem Küchenwerkzeug. Eigentlich ist es nämlich etwas kleinformatig für ein table book, was einem aber bei der Küchenpraxis wiederum entgegenkommt. Durch die hochwertige Ausstattung und die schönen wie professionellen Fotografien von Jörg Lehmann macht das Buch einfach Spaß, und man bekommt nebenher noch jede Menge Informationen und schöne Adressen von besonderen Backstuben, Restaurants, Imker und weiteren BrothandwerkerInnen in (im Schwerpunkt) Österreich und der Schweiz. (Mein Google Maps hat um einige angepinnte Orte zugenommen.) Abgerundet wird das Ganze dann durch ein Bezugsquellenverzeichnis und weitere kleine Infos am Ende des Buches.
Genaueres zum Inhalt mit ein paar Beispielen: Ganz zu Anfang findet sich das erstaunlich übersichtliche Inhaltsverzeichnis, nach den Backstuben und Spitzenküchen geordnet, dann folgen die einzelnen Küchen mit ihren Rezepten (Seite 13-155) und jeweils einem kleinen Artikel zur Hausphilosophie. Am Ende werden noch drei Seiten für zusätzliche Belagtipps wie passende Kräuter, Radieschen oder Honig genutzt. Rezepte, die mir besonders ins Auge fielen waren zum Beispiel „Rudis Brotstangerl“ aus Roggenmehl oder die „Khorasan-Erdäpfelstangerl“ (mit Kamut, einer alten, gesunden Weizensorte), ein „Bio-Speck-Walnussbrot“, ein „Einkernbrot“ „Glutenfreie Focaccia“, ein „Hefe-Wasser-Brot“ (interessante Technik), der „Knäckebrot-Schiefer“ von niemand geringerem als Vitus Winkler, der „Grüne-Power-Aufstrich“ mit Artischocken, „Wiener Brezeln“ oder „Herrmannsdorfer“ Laugenbrezen, die „Waldstauden-Kräcker“, aber auch diverse „gewöhnliche“ Dinkel- oder Roggenbrote u.v.m.
Eine echte Entdeckung für mich war der Pastinaken-Sesamaufstrich auf Seite 75, denn Pastinaken gehören normalerweise nicht zu meinem Lieblingsgemüse. Ich weiß deshalb oft nicht, wie ich sie überhaupt zubereiten soll, aber dieses Rezept habe ich ausprobiert und fand es köstlich. Und das, obwohl ich die hier verwendete Sahne durch eine vegane Alternative ersetzt habe. (Aus meiner Sicht sind die Rezepte insgesamt leicht veganisierbar, da nicht überall tierische Zutaten vorkommen, und wenn, meistens nur eine.)
Besonders gut finde ich im übrigen, dass ein Rezept wie das „St.Peter Brot“, aus der Salzburger Klosterbackstube, aber auch belegt, dass ein gutes Brot nicht mehr braucht als gutes Mehl und Wasser! Die Mehrzahl der Rezepte stammt überhaupt von noch nach alter handwerklicher Tradition arbeitenden Bäckern oder Bäuerinnen wie z.B. Christina Bauer, die Vielen als Kochbuch-Autorin schon bekannt ist. Viele, aber nicht alle, werden mit Vollkorn gebacken.
Auf jeder Seite merkt man die besondere Sorgfalt, die Liebe zum Detail und die Achtsamkeit, mit der dieses Buch zusammengestellt wurde.
Auf den Seiten 60-65 findet sich eine Zusammenfassung der Grundtechniken des Brotbackens - Sauerteig, Hefewasser, Kochstück, Brühstück, Roggenanstellgut. Die Vorgehensweisen sind hier klar und kompakt erklärt - vielleicht für Anfänger aber noch nicht geeignet.
Damit kommen wir zu ein paar kritischen Anmerkungen: Das Buch wirkt sehr motivierend, es enthält wirklich interessante Rezepte, die teilweise außergewöhnlich sind, aber auch gleichermaßen grundständige für jeden Tag. Es scheint mir aber nicht geeignet, das Brotbacken zu erlernen, ein paar Vorkenntnisse sollte man meines Erachtens schon mitbringen.
Einen Stern Abzug gibt es bei mir aber vor allem wegen dem fehlenden Stichwortverzeichnis, und der Tatsache, dass die Grundtechniken eben plötzlich mitten im Buch auftauchen, anstatt vorne oder hinten angeordnet zu sein. Das fände ich zum Nachschlagen einfach praktischer, denn bei manchen Rezepten muss man schon noch mal in die basics reinschauen.
Wissen sollte man auch, dass die Begrifflichkeiten aus dem österreichischen Raum stammen (gut ist, dass manches in Klammern erklärt wird, wie zum Beispiel Hefe=Germ), und dass bei den Zutaten vorwiegend auf österreichische Bezugsquellen zurückgriffen wird. Diese sind zwar umfangreich mit Adresse am Ende genannt, hier hätte ich mir aber auch für andere deutschsprachige Gebiete Bezugsquellen gewünscht, ebenso genauere Erklärungen bzw. Ersatzprodukte, wenn es um regionale Spezialitäten, wie dem mehrfach verwendeten Tauern-Roggenmehl, geht. Ein Rezept wie das „Webread Pure Brot“ das nur mittels speziell zu beziehender Backmischung gebacken werden kann, aber vier Seiten des Buches in Anspruch nimmt, finde ich überflüssig, wenn nicht ärgerlich. Ebenso die Belag-Tipps auf Seite 157-59. Letzteres ist bei diesem Buch aber Jammern auf hohem Niveau.
Fazit: Wer sich für Brotbacken, aber auch einfach für „Gutes Brot essen“ und eine nachhaltige Lebensart interessiert, der kann mit diesem Buch nichts falsch machen. Es taugt sowohl als reines table book, als schönes Geschenk für Brotliebhaber wie auch als Anleitung zum Backen für Fortgeschrittene. Als Mehrwert bekommt man dazu noch interessante Rezepte für den Brotbelag sowie ansprechende Informationen rund um handwerklich arbeitende Betriebe und Restaurants in Österreich, vielleicht auch ein paar neue Bezugsquellen für hochwertige Lebensmittel, wenn man in Österreich lebt. Mich haben die Aufmachung des Buches wie der Inhalt gleichermaßen begeistert, und auch motiviert, wieder mehr Brot selbst zu backen und ein paar neue Rezepte auszuprobieren. Die Liebe zu hochwertigen Zutaten und gesünderem wie nachhaltigerem Essen wird hier in jedem Fall gefördert - insgesamt ein einfach schönes Buch!