Ilya Kaminsky

 5 Sterne bei 4 Bewertungen
Autor*in von Republik der Taubheit.

Lebenslauf

Ilya Kaminsky, geboren 1977 in der ehemaligen Sowjetunion, wanderte 1993 in die USA aus. Er ist ein ukrainisch-russisch-jüdisch-amerikanischer Dichter, Kritiker, übersetzer und Lyrik-Professor. Bekannt wurde er durch die Gedichtsammlungen "Tanzen in Odessa" und Republik der Taubheit (Hanser, 2022), für die er zahlreiche Auszeichnungen erhielt. Sein Werk wurde bislang in über zwanzig Sprachen übersetzt.

Quelle: Verlag / vlb

Alle Bücher von Ilya Kaminsky

Cover des Buches Republik der Taubheit (ISBN: 9783446272736)

Republik der Taubheit

(4)
Erschienen am 16.05.2022

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Cover des Buches Republik der Taubheit (ISBN: 9783446272736)
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Rezension zu "Republik der Taubheit" von Ilya Kaminsky

angioletta
Wegsehen und Weghören in seiner konzentriertesten Form

Es ist Krieg. Soldaten marschieren ein in der fiktiven Stadt Vasenka. Nach einem Zwischenfall entscheiden sich die Einwohner für einen Aufstand der besonderen Art: sie stellen sich taub.

Der Dichter Ilya Kaminski, in der Ukraine geboren und als Jugendlicher mit seinen Eltern in die USA emigriert und selbst nach einer Mumps-Infektion schwerhörig, hat sein Werk „Republik der Taubheit“ bereits 2019 veröffentlicht – doch irgendwie wirkt es so, als hätte er es eigens für das Jahr 2022 geschrieben. Ist es prophetisch? Oder ist der Krieg einfach nur zeitlos? Beides gibt zu denken.

„Republik der Taubheit“ besteht aus kurzen Gedichten, welche die Schicksale von Alfonso, Sonya, Anuschka und Momma Galya beleuchten und szenisch aneinandergereiht sind. Obwohl die vordergründige Handlung schnell erzählt ist, birgt sie eine verwirrend-beeindruckende Mehrschichtigkeit in sich. Es geht nicht „nur“ um Krieg, sondern auch um Taubheit und Hinhören, um Beobachten und Wegsehen. Und schlägt sogar einen Haken zu den Unbeteiligten, sprich: uns, die wir die Bilder im Fernsehen sehen.

„Und als sie die Häuser der anderen zerbombten

protestierten wir,
 aber nicht genug, wir waren dagegen, aber nicht

genug…“

so beginnt das Gedicht „Wir lebten glücklich während des Krieges“.

Kaminskis Lyrik findet unglaublich präzise Worte für die Abgründe zwischen Zusammenhalt und Verrat, Zärtlichkeit und Brutalität, zwischen der Leichtigkeit einer Liebesgeschichte und der Dramatik des Kriegsgeschehens.

„Ich wickel unser Kind in ein grünes Taschentuch,
 kleines Geschenk.

Du bist gegangen, meine türknallende Frau; und ich,
ein Narr, lebe.“ (S. 42)

Obwohl hier mehrere Schicksale abgehandelt werden, die dem Leser bildreich vor Augen stehen, ist das Büchlein schmal, der Zeilenabstand groß. Und, ich gebe es zu: mir war die Leere zwischen den Wörtern teilweise zu groß. Nicht, weil sie zu wenig sagen würden, im Gegenteil! Genau diese Reduktion, diese Konzentration auf das Wesentliche trifft es umso genauer, umso schmerzhafter, umso besser. Aber ich fürchte, dieses beeindruckende Werk ist zu teuer, um es mal eben zu verschenken, zu schnelI gelesen, um sich wirklich ins Hirn einzubrennen.

Ich wäre gerne noch sitzen geblieben und hätte länger zugehört...

... dem Schweigen....

„Sieh nur, Gott –
Taube haben etwas zu sagen,
was nicht einmal sie selbst hören können.“ (S. 36)

Cover des Buches Republik der Taubheit (ISBN: 9783446272736)

Rezension zu "Republik der Taubheit" von Ilya Kaminsky

Ein LovelyBooks-Nutzer
Niemand kann euch hören!

"Republik der Taubheit" handelt von Vasenka, einem nicht näher verorteten Dorf unter feindlicher Besatzung. Und doch geht es den Menschen gut, sie waren doch glücklich, trotz Krieg. Da wird auf offener Straße ein gehörloser Junge erschossen. Die Bewohner leisten Widerstand, indem sie den Soldaten nicht mehr zuhören. Es kommt zu Verhaftungen und Misshandlungen, weitere Menschen sterben, aber sie stellen sich gemeinsam taub. 

Wenn es auch nicht vom Krieg in der Ukraine erzählt, die Tatsache, dass Ilya Kaminsky aus Odessa stammt, was damals zur Sowjetunion gehörte, lässt das 2019 in den USA veröffentlichte Buch fast prophetisch erscheinen und macht es so aktuell wie zeitlos. 

Die Veröffentlichung des nur 100 Seiten schmalen Buches wurde aufgrund des Weltgeschehens vorverlegt. So wurde ich in einer Mail an unsere Buchhandlung überhaupt erst darauf aufmerksam und hatte so ein besonderes Gefühl. Ich habe mich nicht geirrt und bin tief beeindruckt.

Das Buch ist erschütternd, durch den Inhalt, ja, aber vielmehr durch die Sprache. Geschrieben als eine Art Theaterstück ist es die ganz besondere Ausdrucksweise Ilya Kaminskys, dessen Gehör großen Schaden nahm, als er mit 4 Jahren an Mumps erkrankte und dies zu spät vom Kinderarzt erkannt wurde. Sie ist so einzigartig melodisch, der Begriff LYRIK beschreibt die schlichte Bildhaftigkeit einfach nicht ausreichend. Die Übersetzung von Anja Kampmann ist hervorragend gelungen. 

Den Kapiteln angehängt sind Abbildungen verschiedener Gebärden, die eine Einheit mit der Handlung bilden. 

In dieser poetischen Parabel geht es um Wut, Hass und Liebe. Ich lese diese Art Bücher nicht gerne und bin wirklich sehr froh, dass ich es aus einer Intuition heraus doch getan habe. Es ist großartig, ich lege ich euch sehr ans Herz.  

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