„Man kann nicht einfach immer weiter Prügel austeilen!, antworte ich. „Dann ist man selbst nicht besser als die.“
Es ist mir egal, ob ich scheinheilig oder feige bin. Tony hat eine härtere Strafe verdient als Sommerferien im Schatten der Gefängnismauern, aber deshalb ist es noch lange nicht in Ordnung, dass er womöglich mit dem IQ eines Zirkusponys aus dem Koma erwacht.“
Mit „Spieglein, Spieglein an der Wand“ wird die zweite Halbzeit der sechsteiligen Disconnected-Serie begonnen und diesmal ist wieder die Autorin Ina Bruhn mit ihrer Hauptfigur Mateus am Start.
Durch seinen schwulen Klassenkameraden Rasmus lernt Mateus Juliane kennen und verliebt sich in sie. Obwohl der Rest der Welt scheinbar schon lange Bescheid weiß, merkt Mateus es mal wieder als letzter, dass Juliane eher auf Mädchen als auf Jungs steht. Doch Mateus will nicht aufgeben und versucht, Juliane doch noch „umzudrehen“. Wird er dabei Erfolg haben?
Gemeinsam mit Juliane und Rasmus geht Mateus auf Partys und taucht dabei in die Kopenhagener Schwulen-Szene ein. Dort erfährt er etwas über seinen verschwundenen Freund Jonathan, das bei ihm viele Fragen aufwirft. Hat er seinen Freund jemals überhaupt richtig gekannt? Kann es wirklich sein, dass Jonathan homosexuell war oder hat er eigentlich nur in der Szene recherchiert? Mateus weiß nicht, was er überhaupt noch glauben kann.
Gleichzeitig wird er mit dem Hass und der Gewalt konfrontiert, die vielen Homosexuellen in der Stadt entgegenschlägt. Er kann selbst nur mit knapper Not einer Schlägerattacke entgehen, die seinen schwulen Freunden und Bekannten galt. Einer seiner Freunde wird dabei schwer verletzt, ohne dass die Täter zur Rechenschaft gezogen werden. Da formiert sich in der Szene eine Rächertruppe, die die Schwulenhasser aufspürt und ihrerseits krankenhausreif schlägt. Anfangs äußert Mateus noch gewisses Verständnis, doch schnell merkt er, dass mit dieser Form der Selbstjustiz die Rächer kein bisschen besser sind als die ursprünglichen Täter. Mit dieser Einstellung macht er sich nicht unbedingt beliebt …
Auch mit dem vierten Teil der Disconnected-Serie taucht man als Leser wieder tief in einen Teil der Kopenhagener Jugendszene ein, diesmal mit dem Focus auf die Schwulen-Szene. Die Charaktere und ihre Probleme werden sehr facettenreich und glaubwürdig dargestellt. Die Situationen mit den kleinen und größeren Provokationen, die Reaktionen darauf, die Prügel und auch die Racheaktionen sind jeweils gut nachvollziehbar, machen aber auch sehr nachdenklich.
Wie schon in den anderen Büchern ist die Sprache recht rau aber sehr glaubwürdig und angemessen. Ich bin sehr gespannt, wie es in den letzten beiden Bänden Nick und Liv ergeht, was sie erleben und ob Jonathan tatsächlich noch lebt und wohin er verschwunden sein könnte. Ein von der ersten bis zur letzten Seite fesselndes Buch – sehr empfehlenswert.
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