Nachdem mich schon Bradbys späterer Roman "Der Gott der Dunkelheit" restlos begeistert hat, hab ich auch den Kauf von "Der Herr des Regens" keine Sekunde bereut, auch wenn dieser in Sachen Spannung noch nicht ganz die Qualität des Nachfolgers erreicht. Fakt bleibt aber: Tom Bradbys detaillierter und doch nie langatmiger Schreibstil begeistert mich jedes Mal aufs Neue.
Diesmal schickt er den Leser ins Shanghai des Jahres 1926. Die Stadt ist ein Schmelztiegel der verschiedensten Nationen. Chinesen, Engländer, Amerikaner, Russen und Franzosen leben eng an eng, in einzelne so genannte "Settlements" unterteilt und arbeiten in einigen Behörden, wie der Polizei und dem Geheimdienst, sogar zusammen.
Hier beginnt die Geschichte um Richard Field, einem jungen Grünschnabel von der Polizeiakademie aus Yorkshire, der vor seiner Vergangenheit in den Fernen Osten geflüchtet ist, um neu anzufangen. Erst wenige Tage im Dienst wird er sogleich mit einem Mordfall konfrontiert. Eine russische Prostituierte wurde brutal gefoltert und schließlich getötet. Und die Indizien weisen daraufhin, dass der Gangsterboss "Lu Huang", Oberhaupt der mächtigen "Grünen Triade", seine Finger mit ihm Spiel hat. Von Eifer und Idealismus beseelt stürzt sich Field in die Ermittlungen, um schon bald zu erfahren, dass es in der exotischen und pulsierenden Metropole vor allem eine Regel gibt: Traue niemanden. Durch seine Hartnäckigkeit gerät der junge Polizist immer tiefer in ein verstricktes Netz der Korruption und kriminellen Machenschaften, die auch vor dem Geheimdienst selbst nicht halt macht. Vom Verrat und Widerstand in den eigenen Reihen desillusioniert scheint die wunderschöne Natascha, eine weitere russische Prostituierte und Freundin der Ermordeten, das einzig Beständige.
Wie schon in "Der Gott der Dunkelheit" brilliert Bradby auch hier bei der Schilderung der Kulisse des Shanghais der 20er Jahre. Unwillkürlich hat der Leser ein Bild vor Augen: Männer mit großen Hüten und langläufigen Thompsons in der Hand, schwarze Limousinen, stinkende Gassen und verdreckte Nachtclubs. Bradby konstruiert einen Sündenpfuhl aus Hass, Verrat und Gewalt, der einem den Atem stocken lässt. Er erzählt nicht nur wie es war, sondern erweckt eine längst vergangene Epoche neu zum Leben. Da stört es auch nicht, dass "Der Herr des Regens" vom Spannungsaufbau wesentlich länger braucht, denn die Detailtreue und diese unheimlich düstere und gleichzeitig faszinierende Atmosphäre ziehen stattdessen den Leser von der ersten Seite an in ihren Bann. Hinzu kommt die besonders gegen Ende grandios inszenierten Wendungen, die einem bald an jeder Figur zweifeln lassen und bis hin zu Fields engsten Vertrauten Misstrauen säen. Das Ende riecht zwar wieder arg nach Hollywood, passt hier aber wie die Faust aufs Auge.
Insgesamt ist "Der Herr des Regens" eine schillernde, mitreißende Lektüre, die dringend auf die Leinwand gehört. Eine absolute Empfehlung für alle Fans klassischer Gangstergeschichten (wer Filme wie "Die Unbestechlichen" und "Chinatown" liebt, kommt an diesem Buch nicht vorbei), die aufgrund der ausschweifenden Erzählweise allerdings Geduld und Einfühlungsvermögen beim Leser voraussetzt.