Inge Viett

 4,1 Sterne bei 9 Bewertungen

Lebenslauf von Inge Viett

Inge Viett (1944–2022), in Schleswig-Holstein aufgewachsen, zog 1969 nach Westberlin, wurde Mitglied der Bewegung 2. Juni; 1972 und 1975 verhaftet, beide Male aus dem Gefängnis ausgebrochen. Kurze Mitgliedschaft in der RAF, 1982 Übersiedlung in die DDR. 1990 in Magdeburg verhaftet und 1992 zu dreizehn Jahren Haft verurteilt, 1997 entlassen. Am 9. Mai 2022 ist Inge Viett in Falkensee gestorben.

Quelle: Verlag / vlb

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Neue Rezensionen zu Inge Viett

Cover des Buches Nie war ich furchtloser (ISBN: 9783894014605)
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Rezension zu "Nie war ich furchtloser" von Inge Viett

Wenig Einsicht in die eigenen Fehler, aber viel Einsicht für den Leser
Motzbeckvor einem Jahr

Aus gegebenen Anlass (die Autorin ist kürzlich verstorben), habe ich schamlos meine unter dem Namen meiner früheren Mitgliedschaft verfassten und noch unter "ein lovelybooks-Nutzer" zu findenden Rezension kopiert und erneut veröffentlicht:

Wie bewertet man ein Buch, mit dessen politischen Aussagen man nicht übereinstimmt? Sollte diese  Tatsache Auswirkungen auf die Vergabe der Sterne haben? Ich denke nein. 

Inge Vietts Autobiographie beschreibt minutiös ihren Weg in den bewaffneten Kampf während der 70er Jahre. Aus recht verwahrlosten Ursprüngen kommend, sucht sie nach Sinn in ihrem Leben, den sie erst in der Berliner Subkultur findet. Im Umkreis der Haschrebellen gelangt sie zur Bewegung 2. Juni, die der Staatsmacht aus Empörung über den Tod Benno Ohnesorgs in Guerillamanier gegenübertritt. Das Leben in der Illegalität ist geprägt durch die Planung von Aktionen, Gefängnisaufenthalten und Ausbrüchen, immer wieder unterbrochen durch Ausbildungsaufenthalte im nahen Osten.

Nach dem Scheitern des Stadtgueriila-Prinzips schließt sie sich kurzzeituig der RAF an, bis sie in Paris einen Polizeibeamten zum Krüppel schießt. Danach zieht sie sich in die DDR zurück, um dort ein beinah kleinbürgerliches Leben zu führen.

Das alles ist äußerst interessant zu lesen, man erfährt auch durchaus Neues, so etwa über die Unterschiede zwischen der Bewegung 2. Juni und der noch bornierteren RAF, die auf den gesellschaftlichen Rückhalt ihrer Aktionen gar keinen Wert legte und sich als elitäre Avantgarde sah.  Dass die letzten Attentate nur noch der eigenen Daseinsberechtigung galten, wird durch Vietts Beschreibung besonders deutlich.

Auffällig ist der Impetus des Rechthaberischen, der immer wieder durchschimmert.  Besonders deutlich wird dies in ihren Stellungnahmen zur deutschen Geschichte, die - ihrer Lesart nach- immer faschistisch war, wie überhaupt dieser Begriff inflationär gebraucht wird. In diesem Kontext linken Intellektuellen vorzuwerfen, ins Exil gegangen zu sein und nicht den Kampf gegen die Nazis organisiert zu haben, verkennt die Realitäten der Jahre nach 1933. Dass für Inge Viett die Bundesrepublik die Nachfolgerin des Dritten Reiches ist, führt dazu, dass sie die DDR deutlich verklärt. Und, was ich gar nicht verstehe: Wie kann ein Mensch, der durch den Besuch der KZ-Gedänkstätte Buchenwald derartig aufgewühlt wird, wie sie es schildert, den Staat Israel ablehnen?

Trotz allem, wer sich mit der Geschichte des Links-Terrorismus in der Bundesrepublik beschäftigen möchte, kommt an diesem Buch nicht vorbei.

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Cover des Buches Nie war ich furchtloser (ISBN: 9783894014605)

Rezension zu "Nie war ich furchtloser" von Inge Viett

Aus dem Innenleben einer bewaffneten Kämpferin
Ein LovelyBooks-Nutzervor 9 Jahren

Wie bewertet man ein Buch, mit dessen politischen Aussagen man nicht übereinstimmt? Sollte diese  Tatsache Auswirkungen auf die Vergabe der Sterne haben? Ich denke nein.

Inge Vietts Autobiographie beschreibt minutiös ihren Weg in den bewaffneten Kampf während der 70er Jahre. Aus recht verwahrlosten Ursprüngen kommend, sucht sie nach Sinn in ihrem Leben, den sie erst in der Berliner Subkultur findet. Im Umkreis der Haschrebellen gelangt sie zur Bewegung 2. Juni, die der Staatsmacht aus Empörung über den Tod Benno Ohnesorgs in Guerillamanier gegenübertritt. Das Leben in der Illegalität ist geprägt durch die Planung von Aktionen, Gefängnisaufenthalten und Ausbrüchen, immer wieder unterbrochen durch Ausbildungsaufenthalte im nahen Osten.

Nach dem Scheitern des Stadtgueriila-Prinzips schließt sie sich kurzzeituig der RAF an, bis sie in Paris einen Polizeibeamten zum Krüppel schießt. Danach zieht sie sich in die DDR zurück, um dort ein beinah kleinbürgerliches Leben zu führen.

Das alles ist äußerst interessant zu lesen, man erfährt auch durchaus Neues, so etwa über die Unterschiede zwischen der Bewegung 2. Juni und der noch bornierteren RAF, die auf den gesellschaftlichen Rückhalt ihrer Aktionen gar keinen Wert legte und sich als elitäre Avantgarde sah.  Dass die letzten Attentate nur noch der eigenen Daseinsberechtigung galten, wird durch Vietts Beschreibung besonders deutlich.

Auffällig ist der Impetus des Rechthaberischen, der immer wieder durchschimmert.  Besonders deutlich wird dies in ihren Stellungnahmen zur deutschen Geschichte, die - ihrer Lesart nach- immer faschistisch war, wie überhaupt dieser Begriff inflationär gebraucht wird. In diesem Kontext linken Intellektuellen vorzuwerfen, ins Exil gegangen zu sein und nicht den Kampf gegen die Nazis organisiert zu haben, verkennt die Realitäten der Jahre nach 1933. Dass für Inge Viett die Bundesrepublik die Nachfolgerin des Dritten Reiches ist, führt dazu, dass sie die DDR deutlich verklärt. Und, was ich gar nicht verstehe: Wie kann ein Mensch, der durch den Besuch der KZ-Gedänkstätte Buchenwald derartig aufgewühlt wird, wie sie es schildert, den Staat Israel ablehnen?

Trotz allem, wer sich mit der Geschichte des Links-Terrorismus in der Bundesrepublik beschäftigen möchte, kommt an diesem Buch nicht vorbei.

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