Keine leichte Kost
von frenx1
Kurzmeinung: Ingo Bernhards Roman ist keine leichte Kost. Wer sich darauf einlässt, wird allerdings belohnt.
Rezension
Hätte ich dieses Buch nicht in einer Leserunde mit dem Autor gelesen, ich weiß nicht, ob ich über das erste Kapitel hinausgekommen wäre. Vermutlich hätte ich es nach den ersten 30, 40 Seiten frustriert beiseite gelegt.
Dabei gibt es in dem Buch einiges zu entdecken: Hanno Brandhove ist ein Hin- und Hergerissener. Nicht nur, dass er zwischen zwei Frauen schwankt. Brandhove ist auch ein Suchender, einer, der seinen Platz im Leben verloren hat, auch wenn er von außen betrachtet erfolgreich ist, Mitarbeiter im Ministerium. Glücklich scheint er selten zu sein.
Von der Nachkriegszeit bis zu den 1990er Jahren reicht die zeitliche Dimension des Romans, und so ist es eine Lebensbeichte, eine Lebens-Schau, die sich als Flashback abspult. Ein Blick auf das Leben, dessen Ausgang offen ist. Und so ist “Zeitschmelze” ein typisch postmoderner Roman: eine Lösung, ein happy end gar, gibt es nicht, und auch der moralische Zeigefinger fehlt gänzlich. Dagegen gibt es Anspielungen auf Kunst, Musik, Literatur in Fülle – die Anmerkungen am Schluss des Buches lösen sie dankenswerterweise größtenteils auf.
Was das gesamte Buch durchzieht ist ein genauer Blick auf Stimmungen und Bilder. Der Ton, der angeschlagen ist, wird oft poetisch, sinnlich. Auch der Blick auf die Gebäude, auf die Architektur ist detailliert. Das gleicht aus, dass es bei der Darstellung von Brandhoves Beruf an manchen Stellen Längen gibt, wenn etwa Diskussionen allzu ausführlich wiedergegeben sind. Eindringlich hingegen sind die Stellen, wo es um Brandhoves schwieriger Beziehung zu seinem Vater und zu seiner Mutter geht.
Ingo Bernhard macht es dem Leser nicht leicht. Zu verworren ist sein Roman zu Beginn. Wer sich aber die Muße nimmt, und sich auf den Roman einlässt, der wird auch belohnt.