Bücher über dampfende ostdeutsche Bundesländer haben in der Regel einen Joker: Schmalspurbahnen. Thüringen kann mit dampfbetriebenen Schmalspurbahnen, abgesehen von einem Teilstück der Harzer Schmalspurbahn bei Nordhausen, nicht aufwarten. Und doch gelingt es Ingo Thiele einmal mehr, dem Dampfbetrieb auf scheinbar überschaubarem Terrain interessante Seiten abzugewinnen.
Da wäre zum Beispiel die Dampflok-Hochburg-Saalfeld, in der bis Ende der 1980er Jahre von Baureihe 01 bis 95 so manches anzutreffen war. Eine Gegend, die schon aufgrund von Elektrifizierung und Traktionswandel heute ganz anders aussieht, nur das große Bw am Bahnhof lässt die einstige Größe erahnen. Seltene Aufnahmen aus dem Betriebsalltag (u. a. BR 01 vor Güterzug) und Sonderfahrten (01 mit Orientexpress, in den Achtzigern!) bilden einen passenden Auftakt.
Die weiteren Kapitel befassen sich mit Strecken wie der Saalebahn, dem Eisenbahnknoten Gera oder auch den Steilstrecken auf den Höhen des Thüringer Waldes. Überall finden sich neben eher dokumentarischen Fotos auch gelungene Landschaftsaunahmen mit "Volldampf". Schade, dass solche Highlights wie der nächtliche Fotogüterzug auf dem Viadukt über der Elstertalbahn (S. 94) keine ganze Seite spendiert bekommen haben, sondern zum Teil nur eine halbe.
Die Gesamtkonzeption überzeugt allerdings aufs Neue, inklusive des passend gestalteten Vor- und Nachsatzes mit Streckenkarten aus DDR-Zeiten sowie des mit doppelseitigem Eisenbahnfoto unterlegten Inhaltsverzeichnisses. Spätestens jetzt sollte jeder Dampflokfan etwas mit den Thüringer Dampfstrecken anfangen können, auf denen, wie einige der Fotos zeigen, mindestens bis zur Einstellung des Betriebs von "Bahnnostalgie Thüringen" immer wieder Plandampf stattfand.
Ingo Thiele
Lebenslauf
Quelle: Verlag / vlb
Alle Bücher von Ingo Thiele
Mit Volldampf durchs Erzgebirge
Mit Volldampf durchs Muldental
Mit Volldampf durch Thüringen
Dampfbahnen in Sachsen
Dampfbahnen in Sachsen-Anhalt
Dampfloks in Ost-Berlin
Mit Volldampf durch Ostwestfalen
Unterwegs mit den Harzer Schmalspurbahnen
Neue Rezensionen zu Ingo Thiele
Analog zu den übrigen Bänden der Reihe versammelt Ingo Thiele hier hauptsächlich Bildmaterial aus der aktiven Zeit der beschriebenen Strecken sowie je eine ebenso knappe wie übersichtliche Einführung zu jedem Kapitel, das die Geschichte und Geografie der darin behandelten Bahnlinie umreißt. Die ausgewogene Mischung authentischer Schwarzweiß- und Farbfotografien sowie einiger Postkartenmotive vermittelt einen guten Eindruck des Betriebs mit Fokus auf den Zeitraum 1960-1990.
Reichsbahnfreunde kommen hier ganz auf ihre Kosten, denn neben der vor Güterzügen dominierenden Baureihen 50, 52 und 58 finden sich auch Bilder von Nebenbahnidylle mit BR 86, 75 und 38 und eine seltene Aufnahme der V75 mit Personenzug. Bemerkenswert, dass zwischen Glauchau und Großbothen bis weit in die 1980er Jahre hinein Dampfloks vor schweren Güterzügen eine Selbstverständlichkeit waren, was die Fotografien eindrücklich dokumentieren.
Das letzte Kapitel "Von 1988 bis heute" wirft einen Blick auf die gegenwärtigen Entwicklungen. Nach dem Dampfabschied und verschiedenen Sonderfahrten in den 90er Jahren verkehrt heute nur noch der "Schienentrabi", während der Planbetrieb weiterhin ungewiss ist. Eine deutlicherer Hinweis auf das historische Bw Glauchau und seine gelegentlichen Veranstaltungen wäre noch ein wünschenswerter Abschluss für das ansonsten rundum gelungene Buch gewesen.
Bonusmaterial: bedruckter Vor- und Nachsatz mit Streckenkarte und Fahrplan
Eine reizvolle Ergänzung zur einschlägigen Literatur über Sachsens Schmalspurbahnen, von denen im Gegensatz zu dampfbetriebenen Regelspurstrecken wesentlich mehr erhalten wurde.
Ingo Thieles Werk funktioniert gleichzeitig als Bildband und Streckenverzeichnis. Jede Strecke wird zunächst durch einen maximal eine Seite langen Text vorgestellt, danach dominieren die Bilder. Trotz mancher monochrom wirkenden Winteraufnahme enthält das gesamte Buch nur ein einziges richtiges Schwarzweiß-Foto, der Rest ist durchweg farbig.
Somit öffnet sich dem Leser im wahrsten Sinne ein bunter Blick in den Dampfalltag des Erzgebirges zu Zeiten der Ost-Reichsbahn. Die Aufnahmen der Regelspurstrecken reichen bis in die 1980er Jahre hinein, als die Dampfloks im Zuge von Ölkrise und gescheiterten Fünfjahresplänen nochmals zeigen durften, was in ihnen steckt.
Naturgemäß reicht die Chronik der enthaltenen Schmalspurstrecken, sofern nicht bereits stillgelegt, etwas weiter, genauer bis in die frühen 2000er hinein. Schön, dass neben aktuellen Entwicklungen auf seltene Kapitel wie den in den frühen Neunzigern immer noch stattfindenden Güterverkehr zwischen Cranzahl und Oberwiesenthal, sowie auf den bis 1985 betriebenen Rest des Thumer Schmalspurnetzes in Schönfeld-Wiesa hingewiesen wird.
Seltenheitscharakter haben natürlich auch die historischen Aufnahmen des Dampfbetriebes auf den größtenteils vorgestellten Strecken. Nicht nur Fahrzeuge und Gebäude sind heute oft längst verschwunden, auch planerisch spannend angelegte Strecken wie die Dorfdurchfahrt zwischen Schlettau und Crottendorf gibt es in einigen Fällen nicht mehr.
Neben den hochinteressanten verkehrshistorischen und heimatgeschichtlichen Aspekten dient das Buch ebenso als Dokument der Zeitgeschichte. Wie ein Staat der sozialistischen Moderne auf ein laut Parteidoktrin längst hinfällig gewordenes Arbeitstier wie die Dampflokomotive zurückgreift und die Eisenbahner das im Alltag mit viel Improvisationsgeschick und Einsatzbereitschaft umzusetzen verstehen, dürfte in der deutschen Geschichte einmalig sein.
Ergänzt wird der Band durch zwei im Vor- und Nachsatz eingebundene Netzkarten aus den Jahren 1962 und 1982. Daran lässt sich ablesen, dass Stilllegungen keine Erfindung der DB AG sind: Schon zu Reichsbahnzeiten wurde in Sachsen und besonders im Erzgebirge so manche als unwirtschaftlich angesehen Strecke für immer aus dem Fahrplan entfernt.
Seitenzahl: 128
Format: 17 x 24,1 cm, gebunden
Verlag: Sutton
Gespräche aus der Community
Welche Genres erwarten dich?
Community-Statistik
in 1 Bibliotheken














