Bloße Umrisse auf Papier, die Skizzen eines Lebens mit leichtem Pinselstrich verewigt, alles Weitere obliegt dem Künstler, der den Pinsel führt und ich warte gespannt, gleiche Vorstellungen mit Realitäten ab und erahne bald, dass sich das Bild nicht so zeichnet, wie ich es mit meinem Blick auf die Gesellschaft, in Hinblick auf meine Privilegien betrachte, sondern sich meinen Idealen entzieht, sich windet und flüchtet gar, um mich dann zu überraschen, durch schlussendlich das, was sich mir als Endergebnis präsentiert.
So erschienen mir die Geschichten dieser so unterschiedlichen Frauen, die Einblicke in diverse Leben, die nah und fern zugleich, emotionale Tiefe und Abscheu verbinden und mich zurücklassen mit Fragen ohne Antworten, Gedanken ohne klaren Strom und dem Bewusstsein, dass Romane wie dieser so wichtig sind für eine veränderte Wahrnehmung.
Cho Nam-Joos Werk "Miss Kim weiß Bescheid" ist nach "Kim Jiyoung, 1982" das zweite seiner Art, das mich in den Bann gezogen hat, dabei so anders, so viel reservierter, distanzierter als die Insights in nur ein Leben da sie gleich mit 8 Portraits aufwartet, die differenzierter, vielschichtiger und diverser nicht sein können.
Der Stil an sich ist zwar leicht, vereinfacht den Einstieg, gewinnt jedoch an Schwere mit der Zeit, da der Leser immer wieder in neue Szenarien gestoßen wird, sobald er es sich literarisch gesehen gemütlich gemacht hat. Das ist wohl eine der größten Stärken des Romans und zugleich das, was meine Emotionen am meisten hochkochen ließ. Jede Geschichte will entdeckt, erforscht, verstanden werden, und kaum geschieht das, begreife ich den Subtext, begreife ich die Reichweite dessen und sie endet abrupt und schonungslos. Dann beginnt der Leser aufs Neue, muss sich, gezwungener Maßen zurechtfinden und hat gerade erst begriffen, was ihn ratlos zurücklässt. Die Protagonisten bekommen nur die nötige Tiefe, gerade das Maß, das sie grob skizziert, nicht mehr und nicht weniger, damit sie wieder in der Masse verschwinden können. Sie dienen als Symbolfiguren, repräsentieren größere Schichten als nur einen Einzelfall. Cho Nam-Joo beweist wiederum ihr Talent für das unangenehme Gefühl zwischen den Zeilen, den Fingerzeig ohne dabei übergriffig zu sein und so nüchtern wie möglich die Realität zu zeichnen, die uns erreichen soll.