Cover des Buches Liebwies (ISBN: 9783552063471)
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Rezension zu Liebwies von Irene Diwiak

Alles außer "lieb"!

von thelauraverse vor 6 Jahren

Kurzmeinung: Interessant, unterhaltsam und sarkastisch - die Schickeria der 20er und 30er Jahre in der österreichischen Kulturszene.

Rezension

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thelauraversevor 6 Jahren
Wenn der Beginn des Klappentextes eines Buches bereits „Herrlich böse“ lautet, dann ist es nur eine Frage der Zeit, bis es – zwar nicht ausschließlich, aber schon auch deswegen – auf dem nie enden wollenden Stapel jener Bücher landet, die ich irgendwann einmal lesen möchte. Für „Liebwies“ von Irene Diwiak ist dies eingetreten und meine zugegebenermaßen relativ großen Erwartungen wurden nicht vollkommen enttäuscht.

Aber alles schön nach der Reihe: Der Roman „Liebwies“ ist das Debüt der jungen, österreichischen Schriftstellerin Irene Diwiak und wurde vor nicht allzu langer Zeit bei Deuticke veröffentlicht.

Das gesamte Figurenarsenal des Romans aufzuzählen, würde ziemlich lange dauern, da ein breites Spektrum an verschiedensten Persönlichkeiten mit ihren Eigenheiten geboten wird. Deswegen werde ich ein bisschen ausholen müssen, um die grobe Figurenkonstellation darzustellen:

Als erste Protagonistin könnte man daraus eine Frau namens Gisela Liebwies nennen, deren Nachname nicht nur titelgebend für den Roman war, sondern auch bereits auf deren Herkunftsort, das weitab von jeglichem städtischen Einflussgebiet liegende Dörfchen Liebwies, hinweist. Obwohl nicht dezidiert erwähnt wird, dass sich dieser Schauplatz im Österreich der 1920er Jahre befindet, wird eben dies dem Leser/der Leserin durch einige gut platzierte Hinweise relativ schnell klar. Gisela wächst in ärmlichen Verhältnissen als Tochter eines Bauern auf und kommt mit der „großen Welt“ erst in Berührung, als der Lehrer des Dorfes, ein Konzert organisiert. Dieser kam nach dem Krieg nach Liebwies und traf dort, enttäuscht vom Leben auf das außergewöhnliche Gesangstalent Karoline, derentwegen auch das besagte Konzert veranstaltet wird. Der zu diesem Anlass extra angereiste Freund des Lehrers, Christoph Wagenrad, verliebt sich auf den ersten Blick – jedoch nicht in die begnadete Sängerin, sondern in ihre Schwester Gisela, die er unverzüglich mit in die Großstadt nimmt. Dort nimmt das Schicksal seinen Lauf und Gisela, die eigentlich überhaupt nicht singen kann, soll zum neuen Star der Wiener Musikszene werden.

Parallel dazu wird die Geschichte einer zweiten Protagonistin erzählt, die auf den Mädchennamen Ida Padinsky hört. Sie stammt aus völlig anderen Verhältnissen als Gisela und wächst als Tochter einer einflussreichen Fabrikantin auf, die aus meist pragmatischen Gründen keine Beziehung zu ihren Kindern – insbesondere Ida aufbauen kann. Ida entdeckt bereits früh, dass sie musikalisch sehr begabt ist und außergewöhnlich gut komponieren kann. Aus ebenfalls relativ pragmatischen Gründen wird sie mit dem deutlich älteren Dichter August Gussendorf verheiratet, woraufhin sie nur mehr im Geheimen komponiert, da ihr exzentrischer Ehemann mit besagter Tätigkeit nicht einverstanden ist.

Wie es der Zufall so will, begegnen sich die beiden Frauen und eine neue Geschichte, so unterhaltsam wie tragisch, nimmt ihren Lauf.
Die gesamte Handlung ist in der Zwischenkriegszeit angesetzt, als in Österreich ein Großteil der Bevölkerung unter großer Armut zu leiden hatte. Davon bekommen die meisten handelnden Figuren, die völlig mit sich selbst beschäftigt sind, nahezu nichts mit, lediglich als Leser/in wird man immer wieder auf die herrschenden Zustände aufmerksam gemacht.

Die Handlung lebt hauptsächlich durch ihre Figuren, von denen jede mit ihren Marotten und Eigenheiten daherkommt, was die Lektüre von „Liebwies“ ungemein unterhaltsam macht. Besonders hervorzuheben ist auch die Sprache, die es schafft, sowohl sehr genau und präzise als auch ein wenig überladen und überschwänglich zu sein – passend zu der Zeit, die sie beschreibt. Die Erzählung in ihrer Gesamtheit ist sicherlich nicht für jeden was, da ich mir gut vorstellen kann, dass einige Leser/innen mit dem überbordenden Figurenensemble und der nicht immer einfachen Sprache sehr wohl überfordert sein könnten.


Nichtsdestoweniger:
Das Buch wird mit Sicherheit jenen Menschen gefallen, die nicht nur die „wilden“ Zwanziger- und Dreißigerjahre Europas, sondern auch einen durchwegs satirischen Blick eben darauf zu schätzen wissen. Mit spitzer Zunge und noch spitzerer Feder lässt Irene Diwiak eine vergangene Welt auferstehen, die in vielen Belangen unserer Gegenwart gar nicht so unähnlich ist.
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