Wir erleben 20 Jahre im Leben von Edith Howlands mit. Sie bewohnt als Journalistin mit Mann und Sohn ein Einfamilienhaus in Pennsylvania und muss dort einige Schicksalsschläge verkraften: der Mann verlässt sie wegen einer jüngeren Frau, der Sohn entpuppt sich als schulischer, beruflicher und sozialer Versager, der mehr oder weniger nichts tuend in der Wohnung wohnen bleibt, ein bettlägeriger Onkel muss täglich versorgt werden, bei seinem Tod droht eine Klage wegen vorsätzlicher Sterbehilfe oder gar Mord, sie verliert Freunde und ihren Nebenjob als Verkäuferin, ihr Ex-Mann schickt ihr mehrmals Psychiater ins Haus, die sie zu einer Therapie überreden wollen. All dies verarbeitet Edith mit einer erstaunlichen Gelassenheit. Es gibt keine Auseinandersetzungen mit den drei Männern in ihrem Haus, sie versucht nie, auf sie einzuwirken, sie nimmt alles hin. Die genannten ‚Schicksalsschläge‘ wecken vorübergehend die Erwartung, dass sich jetzt endlich etwas in ihrem Leben verändert – aber es ändert sich nichts, sie lösen nichts aus, die Handlungsfäden verlieren sich, Ediths Leben geht unverändert weiter.
Das einzige Besondere an ihrem Leben ist ihr Tagebuch, in dem sie nicht ihr reales Leben aufschreibt, sondern ein Fantasieleben, das sie gerne hätte. In diesem Leben ist ihr Sohn ein glücklich verheirateter Familienvater mit beruflichem Erfolg.
Gegen Ende des Buches häufen sich Verhaltensweisen von Edith, die man als ein bisschen seltsam, aber nicht ernsthaft verrückt bezeichnen könnte. Von daher erscheinen die Bemühungen des Ex-Mannes, ihr psychologische Hilfe anzuraten, nicht völlig unverständlich. Das Verrückteste ist nach wie vor ihr Tagebuch. Jedes Mal, wenn Fremde im Haus sind, versucht sie, das Tagebuch zu verstecken, d.h. die Verrücktheit der Einträge ist ihr offenbar bewusst. Dies und der Titel des Buches wecken die Erwartung, dass dieses Tagebuch noch eine große Rolle in der Geschichte spielen wird. Die Erwartung wird nicht erfüllt – die Geschichte endet tragisch, aber das Tagebuch selbst wird zu einem weiteren losen Handlungsfaden. Man hätte die ganze Geschichte auch ohne das Tagebuch erzählen können.
Das Tagebuch könnte ein Symbol dafür sein, dass Edith die Augen vor der Realität verschließt, ihre Gefühle unterdrückt, und schließlich den Bezug zur Realität verliert.
Die Geschichte wird absolut chronologisch erzählt, zu 90% aus Ediths Sicht, ab und zu plötzlich kurz aus der Sicht des Sohnes. Ediths Handlungen werden präzise beschrieben – von Ediths Erinnerungen, Gefühlen, Gedanken erfährt der Leser weniger, Edith bleibt ein bisschen rätselhaft.
Die größeren politischen Ereignisse der Zeit werden erwähnt – Ermordung der beiden Kennedies, Vietnamkrieg, Präsidentschaftswahl Nixon/McGovern, Watergate-Skandal –, so dass der Leser durch den Roman in diese Zeit zurückversetzt wird. Die Zeitgeschichte gelangt aber nur über die Fernsehnachrichten in die ruhige Vorstadtsiedlung. Rebellische Jugendliche, die sich in den Hippie-Underground verabschieden oder gegen den Vietnamkrieg kämpfen, gibt es in der Siedlung nicht. Der Roman erschien 1977, also nur kurz nach der Zeit, in der er spielt und gilt als der autobiografischste Roman von Patricia Highsmith. Aha, so lebte die Autorin also.