Cover des Buches Kind aller Länder (ISBN: 9783462048971)
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Rezension zu Kind aller Länder von Irmgard Keun

Ich begeistert von diesem tollen Roman!

von Nil vor 8 Jahren

Kurzmeinung: Exilliteratur aus Sicht eines nicht-jüdischen Kindes. Sehr berührend und aktueller den je! Es hat sehr amüsante Stellen ohne großen Pathos.

Rezension

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Nilvor 8 Jahren
Was für ein Roman! Ich bin begeistert von diesem Werk, dass Irmgard Keun 1938 in Amsterdam erstmalig veröffentlicht hat. Der Text auf der Rückseite des Schutzumschlages beginnt im ersten Satz mit dem fett gedruckten Worten „In diesem Exilroman….“, und ich hoffe es schreckt die potenziellen Leser nicht ab. Auch, wenn dies ein wieder aufgelegtes Werk ist, wieder ein europäischer Roman im Kontext des 2. Weltkrieges. Es ist die Lektüre wert!

Der Roman, der knapp 214 Seiten lang ist, ist aus der Perspektive eines 10jährigen Mädchens, Kully, geschrieben. Sie ist mit ihrer Mutter in Europa unterwegs, da ihr Vater ein deutscher Schriftsteller nach der Machtergreifung nicht mehr in Deutschland leben und publizieren kann. Der sehr egozentrische und trinksüchtige Vater ist ab und an auch bei den beiden, aber tingelt meistens durch Europa um Geld aufzutreiben um zu überleben. Das klappt mal mehr, mal weniger. Wunderbar schafft es Irmgard Keun aus der kindlichen Perspektive die Situationen wiederzugeben und eine eigene Interpretation und Notation zu geben. Sehr gekonnt.

‚Kind aller Länder‘ hat in gewisser Weise auch eine autobiographische Note, denn Mutter und Vater von Kully sind unschwer als das Paar Joseph Roth und Irmgard Keun erkennbar.

Die Figuren sind treffend beschrieben, wie Kully die liebevolle Mutter zeichnet oder den verschwenderischen Vater. Natürlich liest man auch über die Verzweiflung der Eltern, wenn der Vater sagt: „Die Toten sind glücklich, ihnen kann nichts mehr geschehen.“ (S.50) Auch Kully selbst beschäftigt das Thema Tod, aber auf eine unbeschwerte Art, wenn sie beispielweise sinniert wo all die Toten Vögel sind. „Vielleicht fliegen sie hoch, dass sie nicht mehr „runterkönnen und tot in den Wolken liegen“ (S.100). Trotz aller schwerer Themen der Flucht, Grenzen, Aufenthaltsgenehmigungen und der Geldnot, hat der Roman auch witzige Stellen, die zum Schmunzeln einladen.

Es ist abgedroschen, aber wahr: Der Roman ist 1938 erschienen, aber ist angesichts der heutigen Flüchtlingsdebatte genau die richtige Lektüre. Da ist man hautnahe dabei wie es sich anfühlt in keinem Land gewollt zu sein und immer auf der Durchreise, kein Zuhause, keine Ruhe.

Ich danke Volker Weidermann, der sie in seinem ‚Das Buch der verbrannten Bücher‘ porträtiert hat und der sie auch in seinem Roman „Ostende 1936“ auferleben lies. Dieser Umstand hat sicherlich auch etwas mit der Neuauflage zu tun. Volker Weidermanns Ausführungen über Irmgard Keun sind am Ende des Romans abgedruckt, ich hätte mir diese Informationen zu Beginn dieser Neuauflage gewünscht.

Fazit: Ein Roman, der Schullektüre werden sollte, ein tolles literarisches Werk.

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