Rezension zu Kind aller Länder von Irmgard Keun
Migration durch die Augen eines Kindes
von Jennifer081991
Kurzmeinung: Wundervoll naiver Erzählton: Migration mit den Augen eines Kindes. Eine ergreifende Erzählung!
Rezension
Jennifer081991vor 6 Jahren
Irmgard Keun verließ Deutschland im Jahre 1936. Ihre Romane waren beschlagnahmt und verboten worden. Zwei Jahre später erschien ihr Roman Kind aller Länder im Exil, der in wundervollen Tonfall die geschichtlichen Ereignisse vorweg nimmt und die lange Reise einer kindlichen Migrantin aufzeigt. Keun selbst blieb nur vier Jahre im Exil, bevor sie illegal nach Deutschland zurückkehrte. An ihren literarischen Erfolg vor dem Verbot konnte sie nicht wieder anknüpfen, erst in den 70er Jahren wurde sie wiederentdeckt. 2016 druckte der Verlag Kiepenheuer & Witsch dieses Werk nach, wodurch ich auf den Roman aufmerksam wurde.
Die zehnjährige Kully lebt ein unstetes Leben: Ihr Vater, ein Schriftsteller und Systemkritiker, muss Deutschland verlassen. Sie und ihre Mutter reisen mit ihm, doch die Geldnot treibt sie oft auseinander. Und während der Vater nach neuen Geldquellen sucht, bleiben sie und ihre Mutter in Hotelzimmern zurück. Die Kleine versteht die Erwachsenen oft nicht und sie versteht diese Welt nicht, in der alles so furchtbar kompliziert ist. Aber sie lernt, sie lernt immer neue Menschen kennen, sie lernt die Sprachen und vor allem lernt sie, worauf es im Leben wirklich ankommt: nicht auf Besitz, sondern auf die Liebe ihrer Familie.
Wie auch Der Junge im gestreiften Pyjama von John Boyne ergreift auch dieses Buch durch seine kindlich naiven Erzählstimme. Diese lässt die Grausamkeiten der Zeit und die geschichtlichen Ereignisse in den Hintergrund treten vor der Naivität des kindlichen Geistes. Dadurch, dass man sich während des Romans außerhalb Deutschlands aufhält, werden geschichtliche Ereignisse kaum thematisiert. Nur durch kleine Kommentare am Rande lassen sich historische Ereignisse in der erzählten Zeit wiederfinden. Vor allem geht es um die Themen Migration und Heimatlosigkeit, die an Kully beispielhaft aufgezeigt werden.
Die kleine Kully erlebt eine Reise voller Unwegsamkeiten durch verschiedene Ländern, in denen ihre kleine Familie – mal mit, mal ohne den Vater – ein zumindest zeitweiliges Zuhause findet. Sie nimmt die Probleme der Erwachsenen, den Verlust der Heimat und die Unsicherheit durch die schlechte wirtschaftliche Versorgung durch den Vater nur am Rande wahr. Stattdessen lernt sie die Länder rings um Deutschland kennen und in jedem Land trifft sie auf freundliche Kellner, kurzweilige Spielpartner und nette Hotelportiers. So lernt sie Sprachen und Kulturen kennen. Und stellt für sich fest: Ihre Heimat ist doch dort, wo ihre Familie ist. Selbst wenn die kleine Familie zeitweilig getrennt wird, so finden sie sich doch immer wieder. Dass der Vater oft genug Geld erschwindeln muss, damit das Hotelzimmer gezahlt werden kann und die Familie aus einem Land ausreisen darf, das leuchtet Kully vollkommen ein. Andere haben ja mehr Geld als sie brauchen, während ihre Eltern Nöte erleiden, da scheint es nur logisch, dass andere ihnen aushelfen müssen. Von ihrem Vater mit zweifelhaftem Gewissen, von ihrer Mutter eher mit haushälterischen und sparsamen Fähigkeiten ausgestattet, dafür ohne Schuldbildung, so spaziert Kully mit kindlicher Naivität und Herzenswärme durch alle Länder.
Obgleich der Text 1936 geschrieben wurde, ist das Thema heute so aktuell wie lange nicht mehr: Was ist Heimat? Was bedeutet Migration für ein Kind? Eindrücklich schildert das Buch die Reise der kleinen Kully. Diese versteht die Borniertheit der Erwachsenenwelt oft nicht, sie sieht alles mit kindlicher Einfachheit.
Eine absolute Leseempfehlung für wirklich jeden!
Mehr Rezensionen auf meinem Blog unter www.leseninleipzigblog.wordpress.com
Die zehnjährige Kully lebt ein unstetes Leben: Ihr Vater, ein Schriftsteller und Systemkritiker, muss Deutschland verlassen. Sie und ihre Mutter reisen mit ihm, doch die Geldnot treibt sie oft auseinander. Und während der Vater nach neuen Geldquellen sucht, bleiben sie und ihre Mutter in Hotelzimmern zurück. Die Kleine versteht die Erwachsenen oft nicht und sie versteht diese Welt nicht, in der alles so furchtbar kompliziert ist. Aber sie lernt, sie lernt immer neue Menschen kennen, sie lernt die Sprachen und vor allem lernt sie, worauf es im Leben wirklich ankommt: nicht auf Besitz, sondern auf die Liebe ihrer Familie.
Wie auch Der Junge im gestreiften Pyjama von John Boyne ergreift auch dieses Buch durch seine kindlich naiven Erzählstimme. Diese lässt die Grausamkeiten der Zeit und die geschichtlichen Ereignisse in den Hintergrund treten vor der Naivität des kindlichen Geistes. Dadurch, dass man sich während des Romans außerhalb Deutschlands aufhält, werden geschichtliche Ereignisse kaum thematisiert. Nur durch kleine Kommentare am Rande lassen sich historische Ereignisse in der erzählten Zeit wiederfinden. Vor allem geht es um die Themen Migration und Heimatlosigkeit, die an Kully beispielhaft aufgezeigt werden.
Die kleine Kully erlebt eine Reise voller Unwegsamkeiten durch verschiedene Ländern, in denen ihre kleine Familie – mal mit, mal ohne den Vater – ein zumindest zeitweiliges Zuhause findet. Sie nimmt die Probleme der Erwachsenen, den Verlust der Heimat und die Unsicherheit durch die schlechte wirtschaftliche Versorgung durch den Vater nur am Rande wahr. Stattdessen lernt sie die Länder rings um Deutschland kennen und in jedem Land trifft sie auf freundliche Kellner, kurzweilige Spielpartner und nette Hotelportiers. So lernt sie Sprachen und Kulturen kennen. Und stellt für sich fest: Ihre Heimat ist doch dort, wo ihre Familie ist. Selbst wenn die kleine Familie zeitweilig getrennt wird, so finden sie sich doch immer wieder. Dass der Vater oft genug Geld erschwindeln muss, damit das Hotelzimmer gezahlt werden kann und die Familie aus einem Land ausreisen darf, das leuchtet Kully vollkommen ein. Andere haben ja mehr Geld als sie brauchen, während ihre Eltern Nöte erleiden, da scheint es nur logisch, dass andere ihnen aushelfen müssen. Von ihrem Vater mit zweifelhaftem Gewissen, von ihrer Mutter eher mit haushälterischen und sparsamen Fähigkeiten ausgestattet, dafür ohne Schuldbildung, so spaziert Kully mit kindlicher Naivität und Herzenswärme durch alle Länder.
Obgleich der Text 1936 geschrieben wurde, ist das Thema heute so aktuell wie lange nicht mehr: Was ist Heimat? Was bedeutet Migration für ein Kind? Eindrücklich schildert das Buch die Reise der kleinen Kully. Diese versteht die Borniertheit der Erwachsenenwelt oft nicht, sie sieht alles mit kindlicher Einfachheit.
Eine absolute Leseempfehlung für wirklich jeden!
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