Cover des Buches Mayas Tagebuch (ISBN: 9783518467039)
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Rezension zu Mayas Tagebuch von Isabel Allende

Ein etwas anderer Allende?

von BluevanMeer vor 6 Jahren

Kurzmeinung: Eine toll geschriebene Geschichte, spannend und gleichzeitig auch gefühlvoll.

Rezension

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BluevanMeervor 6 Jahren

Zugegeben, bisher kannte ich von der Schriftstellerin nur Das Geisterhaus. Ein Familienepos der Extraklasse. In Mayas Tagebuch geht es auch um Familie und Geheimnisse, aber der Fokus ist doch ein anderer. Es geht um Schicksal und Vergangenheit und Fehler, die Menschen begehen. Anders als in anderen Romanen verzichtet Allende auf magischen Realismus und schildert stattdessen das Leben im Drogenmilieu.


Maya ist auf der Flucht vor einer Verbrecherdealerbande, die 19jährige ist ziemlich abgestürzt. Nach dem Tod ihres Großvaters, "Pop", wie sie ihn liebevoll nennt, der Mayas Ein und Alles war, gelingt es dem Mädchen nicht mehr richtig Fuß zu fassen und sie stürzt immer tiefer in eine Krise. Drogen sind ihr einziger Ausweg. Ihre Großmutter versucht Maya zu helfen und verfrachtet sie an einen Ort, der sie vor dem Chaos Zuhause schützen soll. Im Süden Chiles wartet ein alter Freund ihrer Großmutter. Manuel nimmt sie bei sich auf, aber er bleibt wortkarg und will wenig von ihr wissen.


Während sich Maya mit ihrer neuen Situation abfindet, erzählt sie in Rückblicken wie ihre Kindheit verlaufen ist und welche besondere Beziehung sie zu ihren Großeltern hatte. Diese Szenen haben mir am besten gefallen, weil sie wunderbar geschrieben sind. Allende gelingt es mit wenigen Sätzen komplexe Charaktere zu zaubern, die man als Leser*in sofort ins Herz schließt. Zumindest ging es mir so. So erfährt man auch, warum Maya sich eigentlich bei Manuel aufhalten muss und warum die Drogendealer hinter ihr her sind.


"Mein Pop hat das Leben einmal mit einem Wandteppich verglichen, an dem man Tag für Tag weiterknüpft mit Fäden in vielen Farben, manche davon grob und dunkel, andere zart und strahlend, jeder Faden ist zu gebrauchen. Die Dummheiten, die ich begangen habe, sind schon in dem Teppich verewigt, man kriegt sie dort nicht mehr weg, sie werden mich aber auch nicht bis ans Ende meiner Tage belasten. Man muss nach vorne schauen." (150)


Zwischendurch habe ich mich gewundert. Wie viel dieses Mädchen wegstecken kann, egal, was ihr passiert, sie lebt weiter und sie macht weiter und sie gibt - trotz allem - nicht auf. Das hat mich zumindest gewundert. Ihr passen schreckliche Dinge, aber sie macht weiter. Sobald Manuel auftaucht, wird diese Schilderung etwas klarer. Manuel war ein politischer Gefangener. Als junger Mann wurde er entführt und gefoltert. Er hat nie über die Ereignisse im Gefängnis gesprochen, er hat einfach weiter gemacht. Wie viele Menschen in Chile und so, wie Maya es in ihrem jungen Leben versucht. Obwohl sich beide anfänglich nicht verstehen und wenig miteinander sprechen, sind sie sich doch sehr ähnlich. Beide glauben an dasselbe Mott: weitermachen, nicht nachdenken.


Erst nach und nach begreift Maya, welche Verbrechen in der jüngsten Vergangenheit von Chile geschehen sind. Maya hatte nie eine Verbindung zu Chile. Sie ist in den USA aufgewachsen und kennt nur die Erzählungen ihrer Großmutter, die nie über Chile gesprochen hat. Obwohl Maya jedes Detail des Kennenlernens der Großeltern kennt, weiß sie nichts über das Leben der Großmutter vor den USA. Maya beginnt nachzuforschen und langsam versteht sie, was Manuel passiert ist. Aber auch ihre eigene Vergangenheit lässt sich nicht einfach abstreifen, die Drogenbosse sind immer noch hinter ihr her...


Gerade die Hintergründe von Manuels Eigenarten und seine Geschichte, die eng mit der politischen Entwicklungen Chiles verknüpft sind, haben das Buch für mich sehr lesenswert gemacht. Es ist mehr als ein Wohlfühlbuch, denn es werden auch traurige und schlimme Themen angesprochen, die nicht verharmlost werden. Das macht die Geschichte nicht nur unterhaltsam und spannend, sondern auch auf eine Weise ernst und tiefgründig, die ich nicht erwartet hatte.

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