Rezension zu "Zärtlichkeit" von Isabella Guanzini
Mitten in einer Welt, die den Menschen immer mehr abverlangt, wenn sie in dem Kreislauf des Erfolgs und des Wettlaufs um die Siegerkrone des Ersten mithalten wollen, hat die Haltung, die die italienische Philosophin und Fundamentaltheologin Isabella Guanzini hier in ihrem von Grit Fröhlich und Ruth Karzel ins Deutsche übersetzten Essay, beschreibt, keine gute Konjunktur. Wer sich anschickt, über Zärtlichkeit als einer Lebenshaltung sich selbst und anderen, ja auch der Welt gegenüber zu sprechen und ihr nachzuspüren auf dem Weg, eine „sanfte Macht“ wieder zu entdecken, muss aufpassen, nicht als kitschig oder sentimental herüberzukommen.
Isabella Guanzini versucht dies, weil sie feststellt: „Zärtlichkeit ist zu einem Nahrungsergänzungsmittel des Privatlebens geworden".
Die Gesellschaft verlangt den Einzelnen immer mehr ab. Die Menschen werden innerlich hart, sie sind erschöpft und überreizt. Jene sanfte Macht der Zärtlichkeit, die ihnen helfen könnte, wirklich menschlich zu bleiben, kommt unter die Räder.
Doch mit wachsender Versteinerung wächst gerade auch in jungen Menschen immer mehr die Sehnsucht, dieser harten Welt etwas anderes entgegenzusetzen. Isabella wirbt für diese Haltung der Zärtlichkeit gegenüber dem eigenen und fremden Leben, um menschlich zu bleiben oder es wieder zu werden.
Zärtlichkeit als eine geistige Haltung, mit der wir sanft - und nicht durch Härte - das eigentliche Potenzial des menschlichen Lebens freisetzen und uns zugleich aus der zermürbenden mentalen Erschöpfung unserer Zeit befreien können. Vielleicht hat sie als Theologin auch im Kopf, dass Mystiker immer schon glaubten, die Beziehung zwischen Gott und den Menschen sei eben durch diese Haltung geprägt.
Sie ermutigt ihre Leser und Leserinnen, indem sie M. Gualtieri zitiert:
„Du aber glaube nicht denen,
die den Menschen zeichnen als lahmendes Tier
und diese Welt als Kugel am Abgrund.
Glaube nicht denen, die alles tiefschwarz und
Blutig malen. Das tun sie, weil es einfach ist.
Wir sind nur verwirrt, glaube mir.
Doch wir fühlen. Noch fühlen wir.
Noch können wir lieben. Noch fühlen wir Mitleid.
Es ist ein Glanz in allen Dingen. Ich habe ihn gesehen.
Nun sehe ich ihn klarer noch.
Ein Glanz. Hab keine Angst.“
Ein Mut machendes, Hoffnung ausstrahlendes Buch, das das Leben liebt.