Cover des Buches Elbmöwen (ISBN: 9783963110559)
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Rezension zu Elbmöwen von Ivonne Hübner

Dieses Buch sollte man keineswegs verpassen!

von verirrtes_irrlicht vor 6 Jahren

Kurzmeinung: Meisterhafte & sprachgewaltige Umsetzung einer Dreiecksgeschichte im historischen Kontext.

Rezension

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verirrtes_irrlichtvor 6 Jahren
Elbmöwen entführt uns in das Dresden des 19. Jahrhunderts, genauer gesagt 1840. Wir begleiten Balthasar, einen Damastweber aus der Lausitz, bei seinen drei Jahren an der Akademie, um seine Mustermalerlizenz zu erhalten. Dabei entfaltet sich eine Dreiecksgeschichte, die in diesem historischen Setting ihresgleichen sucht.

Balthasar, der eigensinnige und für seine Zeit sehr fortschrittlich denkende, junge Weber, wird bereits zu Beginn der Geschichte als starker Charakter eingeführt, der sich so leicht nichts sagen lässt und es doch immer schafft, sich unangenehmen Situationen zu entziehen – wenn auch nicht immer ohne Bestrafung. Seine Loyalität stellt er vor allem zunächst seinem Freund und Mitstudent Nikolaus unter Beweis, den er aus allerlei argen Bedrängnissen befreit, indem er die Schuld auf sich nimmt. Im Verlauf der Geschichte werden die Figuren für den Leser immer greifbarer und lebensechter, weil sie uns auch ihre Fehler und Schwächen miterleben lassen. Ein breites Spektrum unterschiedlichster Emotionen wird von der Autorin so wirkungsvoll transportiert, dass man sich fühlt, als säße man hinter Balthasar im Studium antiker Malerei. Nach und nach bekommt man das Gefühl, die Charaktere persönlich zu kennen. Eine unglaubliche Entwicklung macht dabei Antonia, Nikolaus‘ Schwester, durch, die über die Erzählzeit von einem anfänglich recht blassen Charakter zu einer starken, wenngleich auch sanftmütigen und in einigen Punkten naiven Frau heranreift. Gekonnt vermittelt die Autorin dabei Einblicke in das damalige Leben und die doch sehr restriktive Rolle der Frau, welcher Antonia zu trotzen versucht. Obgleich die drei Protagonisten sehr authentisch und detaillgetreu ausgearbeitet sind, sind auch Nebencharaktere und Handlungsschauplätze authentisch, sodass man sich im Sog der Geschichte verliert.

Wer den Schreibstil der Autorin kennt, wird auch von diesem Werk nicht enttäuscht. Fesselnd, bildgewaltig und intensiv werden Charaktere und Handlungen beschreiben, dabei keineswegs ausufernd und stets in einem gekonnten Fluss, sodass man die Elbmöwen gar nicht mehr aus der Hand legen möchte. Die Kapitel werden dabei aus unterschiedlichen Sichten erzählt, was er ermöglicht, sich in alle Charaktere einzufühlen und ihre Handlungsmotive sowie Beweggründe zu verstehen. Die umfangreiche Recherche der historischen Gegebenheiten bleibt während der gesamten Lektüre spürbar, ohne störend zu wirken, sondern lässt den Leser vielmehr über die damaligen Gegeben- und Gepflogenheiten staunen.

Hinzu kommt die gelungene Umsetzung der Beziehung zwischen Balthasar und Nikolaus. Wer meint, homosexuelle Bücher nicht lesen zu wollen und deswegen auch dieses hier verzichten will, dem entgeht eine Literaturperle. Die Beschreibung Balthasars innerer Zerrissenheit verdeutlicht, dass er sich nicht sicher ist, wie er mit der Sache umgehen soll. Obgleich Nikolaus sich seiner Gefühle sicher ist, lässt Balthasar den Leser im Unklaren und formuliert allerdings gleichzeitig, dass dies keinesfalls nur mit Nikolaus‘ Geschlecht zu begründen sei, hegt er doch die gleichen Zweifel gegenüber Friederike. Das vermeidet gekonnt eine Herabsetzung von homosexuellen Gefühlen und lässt die Emotionen, die auch bei Balthasar anklingen, zu etwas ganz Normalem werden – genauso, wie wir sie heutzutage sehen sollten.

Fazit: Eingebettet im historischen Kontext finden sich Themen, die uns auch heute noch bewegen und die die Autorin in einer fesselnden und bildgewaltigen Weise zu schildern weiß. Ein unbeschreiblicher Lesegenuss, den man keinesfalls missen sollte!
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