Cover des Buches Teufelsfarbe (ISBN: 9783981132724)
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Rezension zu Teufelsfarbe von Ivonne Hübner

Rezension zu "Teufelsfarbe" von Ivonne Hübner

von Frida vor 13 Jahren

Rezension

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Fridavor 13 Jahren
„Teufelsfarbe“ von Ivonne Hübner, 2008 bei Dryas erschienen, ist ein historischer Roman, der das Dorfidyll um 1500 gegen klerikale Gewalt aufwiegt und dabei grundsätzliche Fragen stellt, die uns heute noch beschäftigen. Das Verlangen, geliebt zu werden, der Zwang, sich in einer Gemeinschaft integrieren und anpassen zu müssen, der Wunsch, mit seinen Lieben in Harmonie zu leben, verspricht eine enorme Bandbreite an Inhalten, denen auf den Grund gegangen werden will. In Hübners Roman „Teufelsfarbe“ kollidieren Bauernweisheiten mit Weltphilosophien auf subtile Art und Weise ohne den Leser überzustrapazieren. Die Sicht auf das Dorf Horka im heutigen Ostsachsen nahe dem Touristenmagnet Görlitz wird aus den blauen Augen einer Schmiedtochter, Margarete Luise Rieger, geb. Wagner, gezeigt und aus der Sicht eines der feudalen Realität abhanden gekommenen Bauern Christoph Rieger. Er heiratet sie aufgrund konventioneller Zwänge. Ein nicht selten in der Gegenwartsbelletristik verarbeitetes Thema, hier jedoch auf ganz unübliche Weise aufgearbeitet, denn die Helden lernen einander zu lieben und sich gegen Pfarrer und Gemeindehetze durchzusetzen. Während dem öffentlichen Glück beider Romanhelden der Gutsbesitzer Nickel von Gerßdorff und Pfarrer Simon Czeppil im Wege stehen, können Margarete und Christoph eine Nische für ihr Glück finden. Klassische Elemente des historischen Romans wie das enorme Heilkräuterwissen der Heldin oder das Rüpelhafte des Bauern sowie das verknöcherte des Pfarrers und das Herrische des Gutsbesitzers finden sich auch in „Teufelsfarbe“, tun dem Lesevergnügen jedoch keinen Abbruch. Neben den Helden, die immer wieder in Konflikt miteinander geraten, spielt ein Fluss, der „Weiße Schöps“, eine zentrale, symbolische Rolle, die durch Hübners bildreiche Sprache zum Tragen kommt und in eng verstrickten Perspektivwechseln der handelnden Personen wie eine Nebenfigur wirkt: „Es bedurfte nicht viel, um den Fluss zum Mitschuldigen zu machen. Margarete konnte nicht schwimmen, sich keine drei Atemzüge lang über Wasser halten. Sie verkrallte ihre Hände in dem Stoff ihres Nachthemdes. Dann ließ sie los. […] Er [Christoph] war wütend auf sich selbst und spähte schelmisch zum Mädchen hinüber, das reglos den Lauf des Flusses beobachtete. Er hörte ihr Herz schlagen, er roch den Angstschweiß der vergangenen Nacht in ihrem Nachthemd, er entdeckte ihre Enttäuschung über ihn. Doch was geschehen war, konnte er nicht rückgängig machen …“ (S. 175) Der Leser, der das übliche Schema eines historischen Romans erwartet, wird enttäuscht, denn anders als bei der Bandbreite an Titeln, setzt Hübner in „Teufelsfarbe“ auf den Blick in die Köpfe der Helden. Vieles, was auf den ersten 100 Seiten im Theoretischen verborgen bleibt, verwandelt sich später erst in die Praxis, was eine Prüfung an den ungeduldigen Leser darstellen mag. Der Leser ist geneigt, mit dem Helden Christoph mitzufiebern wenn es heißt, Christophs Geduldsfaden sei gerissen (S.159). Alles in allem ein sehr trauriger Roman, der so viele Parallelen zum Sehnen und Wünschen der heute lebenden Menschen aufzeigt. Und obschon Hübner die Sagenwelt um das Dorf Horka sprechen lässt, einen Mordfall aus dem Jahre 1510 hineinmengt, kann man dem Buch Glauben schenken und wenn man dem Buch Zeit zum Wirken gibt, legt man es nicht mehr aus der Hand.
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