Cover des Buches Rohstoff (ISBN: 9783257239225)
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Rezension zu Rohstoff von Jörg Fauser

Grandioses Zeitdokument der 70iger

von BeaMilana vor 9 Jahren

Rezension

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BeaMilanavor 9 Jahren
Rohstoff ist die Geschichte des drogensüchtigen und später alkoholabhängigen Autors Harry Gelb und ein schonungsloses Zeitdokument der Gescheiterten in den 70igern der BRD.
Es ist die Geschichte von einem, der fällt und wieder aufsteht, und wieder fällt und doch gestrandet, erneut zu ertrinken droht.

Ein Getriebener – heimatloser, entwurzelter, suchender, rasender, verzweifelter Anarchist –, der schreiben will und dem es nicht gelingt, sich in die Gesellschaft einzugliedern, weder in die Hausbesetzerszene, "Dealer mit wallenden Haaren und einer Mao-Plakette an ihrem indischen Hemd, Catchertypen mit Ohrringen und Moschusduft, ähterische Grazien aus Siemensstadt oder Neheim-Hüsten, die ihre Friseurlehre mit freier Liebe oder einer Bombe vertauschen wollten und statt dessen in einer Kreuzberger Kellerwohnung mit einer rostigen Kanüle im Arm aufwachten", noch in die politische Szene aller Klassen von Revolutionären, noch in das spießige Kleinbürgertum, angeödet von "Leuten, die mit identischen Möbel, identischem Essen und identischen Bücher absolut identisch vögeln".
Ein Schriftsteller, der sich über Literaturseminare beklagt, die Dutzende von Bachmannkopien auf die Menschheit loslassen, geschrieben von Menschen, die den Schmerz der Welt nie kennengelernt haben, ein schreibender Outlaw, der erst spät von der funktionierenden Kulturklasse, die ihn als Agenten der dunklen Kräfte ablehnte, angenommen wurde, einer, der Burroughs und Fallada liebte, und dessen engster Gefährte der Zweifel war.
Seine Sprache ist klar, unverblümt, schnörkellos, auf den Punkt gebracht, schonungslos ehrlich. Ich mag das.
"Aber du hast sie dann mit in eins der Teehäuser genommen, wo die in Lumpen gewickelten Opiumsüchtigen sabbernd auf den Dealer warteten, während die riesigen Kakerlaken von der Decke in ihre Teegläser fielen – nicht daß sie wirklich fielen, aber die Stiesel sahen sie fallen –, und du hast dich mit dem Buckligen unterhalten – "Du okay? Ich auch okay" –, bis die message klar wurde: Lauf um dein Leben."

Es ist richtig, wer sich für deutsche Literatur interessiert kommt an Jörg Fausers Rohstoff (trotz einiger Längen) nicht vorbei. Ich bin froh, ihn über die Laudatio Köhlmeiers in seiner Klagenfurter Rede zur Literatur 2013 entdeckt zu haben. Besser spät, als nie.

Link zum Literaturcafe.de: Rohstoff: Vergessen sie Jörg Fauser nicht, denn irgendein Mexiko brauchen wir alle!
http://bit.ly/1sOIYQv
Der Diogenes Verlag hat vor ein paar Jahren Jörg Fausers vielschichtiges Gesamtwerk herausgebracht.
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