Rezension zu "Die Heilerin vom Rhein" von Jørn Precht
In diesem Roman tauchen wir tief ein ins Klosterleben und erleben Hildegard von Bingens Werdegang. Schade fand ich, dass ihre Kindheit außerhalb der Klostermauern keine Rolle spielt, denn ich hätte auch gerne auch über die ersten Lebensjahre dieser herausragenden Persönlichkeit gelesen. So ging es also direkt ins Kloster.
Dass ich ob des Handlungsort keine Spannung oder aufregenden Abenteuer zu erwarten hatte, war mir klar, dennoch habe ich die Umsetzung als sehr behäbig, langatmig und ermüdend empfunden – genauso stelle ich mir die Atmosphäre im Kloster vor, daher ist der Stil des Autors nicht ganz unpassend.
Aufgepeppt hat er die überwiegend recht blassen Figuren und seine gemächliche Erzählung mit einigen fast schon spektakulären Szenen. Da lässt sich der Drehbuchautor, dessen Beruf Jørn Precht neben anderen Tätigkeiten ebenfalls ausübt, nicht verleugnen. Jedoch kamen mir immer wieder Zweifel am Geschriebenen. Dass man Dialoge oder Handlungen, die vor einigen hundert Jahren stattgefunden haben, nicht realitätsgetreu nachbilden kann, versteht sich von selbst. Aber ob so mancher Charakter in dieser Intensität wahrheitsgetreu umgesetzt ist? Das muss er natürlich nicht, schließlich befinden wir uns in einem Roman und nicht in einem Sachbuch.
Jedoch erwarte ich vom Nachwort eines biographisch-belletrischen Romans, dass er die Ungewissheit der Leser auszuräumen vermag. Allerdings gab es hier – zumindest nicht in meiner Ebook-Version – keinerlei Erläuterungen dazu, welche Figuren historisch belegt sind, welche fiktiv und welche „spektakulären“ Ereignisse des Romans wahrheitsgetreu umgesetzt und welche aus dramaturgischen Effekten hinzu geschrieben wurden.
„Die Heilerin vom Rhein“ ist somit zwar ein netter, ruhiger Roman mit leider nicht nachvollziehbarem Wahrheitsgehalt, was ich sehr schade finde. Denn viele Leser, so auch ich, greifen zu solchen Büchern, um neben einer im Idealfall guten Geschichte auch den Mehrwert des erweiterten Horizonts zu bekommen.