Rezension zu "Black Dahlia - Die schwarze Dahlie" von James Ellroy
Inhalt
Los Angeles, 1947: Auf einem verlassenen Grundstück wird die übel zugerichtete Leiche einer jungen Frau gefunden. Kurze Zeit später steht fest: Es handelt sich um die 22-jährige Elizabeth Short, auch bekannt als die "Schwarze Dahlie", eine junge Frau, die ihr Glück in der Filmstadt suchte, aber nie fand. Sergeant Lee Blanchard und Officer Bucky Bleichert, zwei ehemalige Boxer und seit Kurzem Partner, machen sich auf die Suche nach dem Mörder und versinken immer tiefer in einen Sumpf aus Lügen, Gewalt und Sex. Bis Lee eines Tages spurlos verschwindet ...
Meine Meinung
Je länger ich über dieses Buch nachdenke, desto besser gefällt es mir. Ellroy zeigt seinen Lesern die große Stars- und Sternchenstadt Los Angeles von ihrer dunkelsten, dreckigsten Seite und erschafft dabei eine Atmosphäre, die einen gespannt die Sessellehne umklammern lässt.
Die Handlung ist ziemlich komplex. Obwohl es schon primär um den Short-Fall geht, hatte ich doch den Eindruck, dass der eigentliche Dreh- und Angelpunkt der Cop Bucky Bleichert ist. Der Kriminalfall beginnt erst nach ca. 100 Seiten, vorher werden die ersten Begegnungen zwischen Bleichert, Blanchard und Kay (Blanchards Freundin) intensiv beleuchtet. Zunächst hat mich das etwas irritiert, da ich mit einem Einstieg à la "Hier liegt eine Leiche, los gehts!" gerechnet hatte. So darf man sich aber zuerst mit den Hauptcharakteren vertraut machen, lernt noch etwas über die Geschichte Los Angeles' (Zoot Suit Riots) und erlebt einen spektakulären Boxkampf mit, bevor es ans Eingemachte geht. Während des Lesens empfand ich diesen Einstieg als etwas zu lang und ausschweifend, im Nachhinein und mit dem Wissen über die ganze Geschichte habe ich die ersten Seiten aber nochmal gelesen und dann besser verstanden.
Das lag wahrscheinlich vor allem daran, dass ich endlich die ganzen Namen einordnen konnte. Man wird nämlich das ganze Buch über mit Namen überhäuft, die man erstmal einordnen, sortieren und im Kopf behalten muss. Außerdem gibt es jede Menge Nebenschauplätze und -handlungen, die man allerdings stets im Auge behalten sollte, da sie meistens doch nicht so "neben" sind wie vielleicht zunächst gedacht. Ein schnelles Überfliegen mancher Textstellen ist bei diesem Buch auf jeden Fall nicht möglich, sonst verpasst man gerne mal wichtige Ereignisse oder Aussagen, die später noch relevant sind. Obwohl ich das manchmal anstrengend fand, hat es mich doch fasziniert, mit welcher Detailgenauigkeit der Autor diesen Roman durchdacht hat. Ich denke auch, dass mir das Buch deshalb noch nachhängt, gerade weil ich es so intensiv lesen musste.
Was die Brutalität und die Wortwahl anbelangt, darf man wahrlich nicht zimperlich sein. Nach außen hin gibt es nur unnachgiebige Kerle, die sich durch hartes Anpacken und Gewaltanwendung, auch und gerade Verdächtigen gegenüber, einen Namen machen wollen. Spritzendes Blut ist also an der Tagesordnung und Ellroy geizt nicht mit expliziten Beschreibungen. Über eine Folterszene habe ich eher nachlässig hinweggelesen, weil ich sie nur schwer ertragen konnte (übrigens ein Fehler, natürlich ist diese Stelle wichtig!). Auch die Wortwahl und der Umgang mit Frauen dürften nicht nach jedermanns Geschmack sein, allerdings sollte man auch bedenken, dass man sich in den 1940er / 50er Jahren befindet und nicht im Jahr 2016. Spannend fand ich, dass Ellroy nicht nur die harten Kerle zeigt, sondern auch die Verletzlichkeit dahinter. Es wird schnell klar, dass viele der Männer nicht so abgebrüht sind, wie sie nach außen hin erscheinen. Bei Bleichert und Blanchard bekommt man das unmittelbar mit, aber auch bei Nebencharakteren weißen Andeutungen in diese Richtung.
Meiner Meinung nach ist die Charakterzeichnung meisterlich. Da die Handlung aus der Ich-Perspektive erzählt wird, bekommt man natürlich von Bucky Bleichert am meisten mit. Er ist für mich ein durch und durch glaubwürdiger Charakter, getrieben von seiner Vergangenheit und seinen Obsessionen, immer wieder an sich zweifelnd und, obwohl eigentlich intelligent, teilweise blind für die Fehler und Hinterlist anderer Menschen. Dass auch alle anderen Charaktere ihre Licht- und Schattenseiten haben, macht die ganze Geschichte noch glaubwürdiger. Und obwohl sie tot ist, nimmt gerade die Darstellung von Elizabeth Short einen besonderen Platz ein, denn ihre Geschichte und ihre Handlungen beeinflussen alles andere.
Das Buch basiert übrigens auf einem realen Kriminalfall, der bis heute nicht aufgeklärt wurde. Ob der Autor sich für einen anderen Weg entschieden hat, verrate ich natürlich nicht, denn auch die Möglichkeit, dass es am Ende keine Lösung gibt, macht meiner Meinung nach einen gewissen Reiz aus.
Insgesamt bin ich von diesem Buch sehr angetan. Auch wenn mir der Einstieg schwer fiel und ich mir zwischendurch ein paar Verschnaufpausen gewünscht hätte, kann ich dieses Buch doch nur empfehlen. Ja, es ist brutal. Ja, es ist explizit. Und ja, es ist schonungslos. Aber es ist auch fesselnd, emotional berührend und einfach unglaublich spannend.