„Offen, zerbeult und nahe bei den Menschen“
Aus seiner Sympathie für die Person, vor allem aber für die Haltung des neuen Papstes Franziskus macht Jürgen Erbacher von Beginn an keinen Hehl. Und ist sicherlich damit mit der überwiegenden Zahl der Betrachter aus den verschiedenen Lagern einer Meinung.
Integrität, persönliche Bescheidenheit, eine klare und umgängliche Sprache und immer wieder Stichworte und Hinweise, die noch mehr erahnen lassen, dass Franziskus weitreichende, radikale Glaubenshaltungen und Überlegungen in sich trägt zu spürbaren Veränderungen zur Praxis des katholischen Glaubenslebens „von oben“.
Dieses „Mammutprojekt“ der Reform der römischen Kurie inklusive des Finanzsektors ist dann auch einer der Schwerpunkte der Betrachtungen Erbachers, der zu Recht fragt, ob in diesem Vorhaben eine letztlich unlösbare Aufgabe steckt. Dies kann nicht abschließend bewertet werden, ebenso klar wird aber auch, dass wenn ein solcher Umbau, eine solche Reform möglich wäre, es dieser Franziskus ist, dem Erbacher Motivation und Standvermögen zutraut.
Offenheit für die moderne Welt statt konservativ-pragmatischer Theologie wie beim Vorvorgänger oder intellektuelle theologische (ebenso konservative) Distanz wie beim direkten Vorgänger, das „Herz auf dem rechten Fleck“ tragen ist hierbei eine unzulängliche Beschreibung des Wesens von Franziskus, denn ebenso wie Johannes XXIII. ist Franziskus durchaus theologisch gefestigt und mit klaren, auch intellektuell belastbaren Überzeugungen versehen. Die aber in bester Weise ob seiner persönlichen Umgangsformen und seines persönlichen Charismas wesentlich zupackender und näher am Menschen formuliert und gezeigt werden, als es bei vielen anderen Päpsten der Fall war.
Wer nun sind mögliche Verbündete und wo sind die Skeptiker zu verorten? Ist Franziskus ein verkappter Marxist? Wasa hat es theologisch auf sich mit der „armen Kirche für die Armen“, welche Wurzeln tragen den „Baum“ Franziskus theologisch, philosophisch und spirituell?
Auch wenn Franziskus „kein wissenschaftlich-systematischer Theologe ist“ und nicht promovierte, ist er bei weitem kein theologisches „Leichtgewicht“, wie Erbacher überzeugend herausarbeitet. Wobei seine theologischen (und philosophischen Wurzeln) eng mit der theologischen Vorarbeit des 2. Vatikanischen Konzils und der dort sich später durchsetzenden „modernen“ Lehrmeinungen verbunden sind. Johannes der XXIII. und Paul VI. sind Päpste, in deren Tradition sich Franziskus sieht.
Ein interessanter und wichtiger Exkurs, den Erbacher hier in sehr verständlicher Sprache und nicht allzu ausgeweitet vollzieht, um dem Leser den Rahmen und das Fundament des Papstes verständlich näher zu bringen.
Wie vollzieht sich der Umgang mit der besonderen Situation „zweier Päpste“ im Vatikan, auch ganz praktisch? Welche Widerstände haben sich bereits erkennbar formiert? Wieweit hat der „Mann des Dialogs“ eine erkennbar andere Haltung zur Ökumene als manche seiner Vorgänger, die das „Kirche-Sein“ noch lange nicht jeder großen Konfession zuerkennen wollte?
Und welche „heißen Eisen“ sind es, die durch Franziskus “Grundhaltung der Barmherzigkeit“ (statt durch die Haltung „der reinen Lehre“) nun in neuem Licht gesehen werden sollen?
Einen breiten Blick wirft Erbacher auf die aktuellen Themen und Ereignisse rund um die erste Zeit des neuen Papstes. In sehr verständlicher Sprache geht er dabei natürlich nicht in die Tiefen der katholischen Dogmatik und Lehre, ist aber durchaus in der Lage, die Persönlichkeit fassbar zu portraitieren und über die Schlagworte der Tagesaktualität hinaus tradierte Strukturen und neue Ideen an der Spitze der Kurie vor Augen zu führen und gerade durch diesen Vergleich die tatsächliche Radikalität des Papstes herauszustellen.
„Offen, zerbeult und nahe bei den Menschen“