Tiefreichend
Ja, die Texte Penns sind schon am Ende des 17. Jahrhunderts entstanden. Getragen vom Geist der Aufklärung, des liberalen Glaubens (der Quäker), des scharfen Verstandes (ausgebildet an einer der besten Juristenschulen Englands) und eines großen Herzens (all das floss zusammen in der Gründung des Bundesstaates Pennsylvania in Amerika, der zu Beginn William Penn komplett gehörte und ein Experiment der religiösen Toleranz und der menschlichen Freiheit war (bis auf die Sache mit den Sklaven)).
Da ist es am Ende sehr gut, dass Penn durch seine freigeistlichen Haltungen öfter mit der politischen Macht kollidierte und, zweimal, für längere Zeit „weggesperrt wurde“. Denn beide Zeiten nutzte Penn, um sich seiner Gedanken zu versichern, die Formulierungen zu schärfen und, vor allem, seine Erkenntnisse schriftlich zu fixieren. Auch wenn es keine „freiwillige Einsamkeit“ war, das Ergebnis ist ein zeitloser, tiefer Blick auf das menschliche Sein in alle Facetten, dass auch und sogar mehr als zuvor für die Gegenwart Erträge mit sich bringt.
Nachdem im Buch eine Kurzbiographie Penns ihren Platz gefunden hat, werden die vielfachen Texte und kurzen Einsichten zur „(guten) menschlichen Lebensführung“ präsentiert, die immer noch leicht verständlich und je auf den Punkt getroffen vorliegen.
„Der Mangel an wahrer Überlegung ist die Ursache des Unglücks, dass der Mensch selbst über sich bringt“. Was täglich aktuell in den Meldungen und social Media zu erleben ist. Was, wie damals, impliziert, dass es gut wäre, sich „Zeit für den zweiten Gedanken“ zu jedweder Sache zu nehmen, der „selten mit dem ersten Gedanken übereinstimmt“.
„Wir neigen mehr dazu, uns zu beklagen, als das Arge in Ordnung zu bringen, mehr dazu, zu tadeln, als uns zu entschuldigen“.
Und was ist geschehen in den gut 300 Jahren nach diesen Erkenntnissen? Scheinbar wenig bis nichts, denn noch stärker als zu Zeiten Penns hat diese Klage- und Tadelhaltung Eingang in alle Bereiche des alltäglichen Lebens gefunden. Und reißt wie ein mahlender Strom jegliche ruhige Überlegung, und Zeit für das Finden tragfähiger Lösungen mit sich fort.
„Und doch muss man der Öffentlichkeit dienen… Damit dies geschehe, muss einer einen öffentlichen Geist haben, nicht nur ein öffentliches Gehalt, sonst wird er private Ziele auf öffentliche Kosten verfolgen“.
Wenn das mal nicht auch den Punkt trifft bei vielen, die vorgeblich „zum Wohl des Landes“ rufen, krakeelen oder ganz einfach nur still seit Jahren die Hände aufhalten und ihre persönliche Karriere vorrangig vor öffentliche Interessen setzen. Quer durch alle politischen Schattierungen hindurch.
„Manche sind so eifrig bemüht, reich zu sein, als ginge es um ihr Leben: Nicht dessen Unterhalt wollen sie, sondern Überfluss….. doch es ist seltsam, dass alte Männer in diesem Laster exilieren… und doch ist ihr Vergnügen ohne Freude, da keiner sich freuen kann an dem, was er nicht braucht“.
Das, was heute auf die Spitze getrieben scheint an Anhäufung von Reichtum, legt Penn somit schon für seine Zeit vor, zeitlos eben, und ergeht sich nicht in bissigem Tadel, sondern weist auf, dass all solche Ziele nicht der eigenen Zufriedenheit wirklich dienlich sind.
Das ist die Kunst der vielen kleinen und großen Gedanken, die Penn verfasst. Dass es nicht „gegen etwas oder jemanden“ gerichtet ist (auch wenn Penn manches rigoros ablehnt), sondern am Ende der eigenen Reflexion, dem eigenen „Besser machen“ und damit dem eigenen guten Leben dient.
Damit nicht am Ende nur verbleibt, was Penn wohl am widerwärtigsten war: Eitelkeit.
„Denn der eitle Mann ist eine widerwärtige Kreatur, er ist so sehr von sich selbst erfüllt, dass er keinen Raum für irgendetwas anderes hat, sei es noch so gut und würdig“.
Eine hervorragende Lektüre für jede Lebenszeit mit tiefen Einsichten, in das menschlich-allzu menschliche und der großen Lust am möglichen, guten Leben als innerer Haltung, nicht an Äußerlichkeiten festgemacht.