Cover des Buches Warten auf die Barbaren (ISBN: 9783596155859)
Rezension zu Warten auf die Barbaren von J.M. Coetzee

Rezension zu "Warten auf die Barbaren" von J. M. Coetzee

von Ein LovelyBooks-Nutzer vor 14 Jahren

Rezension

Ein LovelyBooks-Nutzervor 14 Jahren
Der Magistrat führte über Jahre hinweg die Amtsgeschäfte einer kleinen Garnisonsstadt (eines fiktiven Reiches), in nächster Nähe zum Gebiet der "Barbaren", einem Nomadenstamm. Eines Tages trifft ein Beauftragter der Staatspolizei ein, um vermeintliche kriegerische Absichten der Barbaren zu untersuchen. Der Magistrat wird Zeuge der menschenunwürdigen Behandlung der gefangenen Barbaren, doch steht er dieser ohnmächtig gegenüber. Als Akt der Wiedergutmachung nimmt er ein durch die Folter der Staatspolizei erblindetes Barbarenmädchen bei sich auf, um sie schliesslich zu ihrem Volk zurückzubringen. Dadurch wird er als Verräter gebrandmarkt und nun selbst Opfer öffentlicher Demütigung und Folter durch die Staatspolizei. Coetzee beschreibt eindringlich den Versuch eines Einzelnen sich gegen ein übermächtiges, willkürliches und brutales System aufzulehnen und den daraus resultierenden gesellschaftlichen, psychischen und physischen Fall. Dieser eine folgt seinem Gewissen und findet sich nicht damit ab, dass Macht dazu legitimiert sich über Menschenwürde und Menschlichkeit hinwegzusetzen und anderen seinen Willen aufzuzwingen. Hierbei schafft es Coetzee auf beeindruckende Art die Gedanken des Magistrates zu beschreiben und den Schrecken und Horror der Willkür der Staatspolizei zu zeigen. Der Leser, der heutzutage nicht begreifen kann, wie ein Volk solch einen Despotismus dulden kann, fühlt mit dem Magistraten mit, der durch den Willen menschlich zu bleiben, wenn auch seelisch und körperlich durch die Behandlung der Staatspolizei fast zerstört, selbst zum Staatsfeind wird, jedoch dafür seine Werte nicht verrät. Das Buch ist sehr eindringlich geschrieben, es kommt einem so vor, als ob man selber Beobachter auf der Strasse ist, und die ganze Gewalt und Sinnlosigkeit von Nahem mitansieht. Auch die Entwicklung einer friedlichen und zivilisierten Grenzstadt, die sogar Handel mit den Barbaren trieb, hin zu einem wütenden und gewaltsamen Mob, der all das, was vom Reich ferngehalten werden soll symbolisiert, wird sehr gut wiedergegeben. Das Werk kann als Warnung gesehen werden: wenn man nicht für seine Werte eintritt und wenn dies auch unter noch so widrigen Bedingungen geschieht und nur wegschaut, ist man nicht besser als jene, die andere foltern und verfolgen. Als Leser ist man zudem gezwungen sich selber zu fragen: Wie würde ich in solch einer Situation handeln? Könnte ich es ertragen, das Leid, dass den Barbaren wiederfährt, mitanzusehen? Oder könnte ich die Leiden des Magistrates aushalten und standhaft bleiben? Ein Buch, dass nicht nur zum Nachdenken anregt, sondern auch Aufschlüße über das eigene Wesen geben kann, zumal das behandelte Thema leider immer noch aktuell ist und wohl auch bleiben wird.
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