Krimis aus dem Norden sind bekanntlich oft besonders brutal und düster. Diese Annahme hat mich auch veranlasst, Der Puppenmeister zu lesen. Leider wurde ich enttäuscht.
Der Kommissar Kari Sorjonen zieht mit seiner Frau und seiner Tochter von Helsinki nach Lappeenranta an der russischen Grenze – ein beschaulicher Ort, der auch "die Stadt der guten Menschen" genannt wird. Hier möchte Kari sich von den Strapazen seines Jobs in der finnischen Hauptstadt erholen und mehr Zeit für seine Familie haben. Aber wie es der Zufall so will, sind selbst in Laappenranta die Menschen nicht alle gut und so wird Kari an seinem neuen Arbeitsplatz prompt in einen Mordfall verwickelt. Ein abgelegener Ort klingt nach perfekten Voraussetzungen für eine düstere Handklung, aber bis auf gelegentliche Erwähnungen von einem See oder Wald wird nicht damit gearbeitet. So gesehen hätte Kari also genauso gut in Helsinki bleiben können.
Leider lässt für mich die gesamte Handlung und vor allem die Spannung stark zu wünschen übrig. Das geschehene Verbrechen ist selbstredend nicht gerade schön, wer aber gerne härtere Krimis oder Thriller liest, wird es unspektakulär finden. Die Auflösung des Mordes bedient sich Klischees wie "Ermittler folgt seiner Intuition und gelangt zur Lösung" oder "Opfer redet mit Täter um Zeit zu schinden". Wirklich mitdenken muss man hier kaum und wenn man es tut, weiß man als Leser nach spätestens der Hälfte des Buches, wer sich hinter dem "Puppenmeister", dem geheimnisvollen Drahtzieher hinter den Vorkommnissen, versteckt.
Die Handlung selbst wird aus immer wechselnden Perspektiven beschrieben, was gut funktionieren kann, im Fall von Der Puppenmeister aber bekommt man so als Leser zu viele Einblicke, was die Spannung nimmt. Außerdem erlangt man für keinen der Charaktere Sympathie und sobald man sich in eine neue Szene eingelesen hat, ist sie auch schon wieder zu Ende. Als Protagonist kann man wohl Kari bezeichnen, der aber dennoch nicht greifbar wird. Warum er seinen Beruf weiter ausübt, obwohl er ihn so sehr hasst und beim Anblick von Leichen Panikattacken bekommt, wird nicht erklärt. Kari wird als empathieloser, die Familie vernachlässigender und eher schwieriger Mensch dargestellt, aber kann man wirklich so unsensibel sein, seiner eigenen Frau zu sagen, sie könne als Plus Size Model arbeiten? Kari wurde für mich leider die ganze Handlung über nicht greifbar oder sympathisch und so verhält es sich auch mit fast allen anderen Charakteren.
Atmosphäre und Spannung sind hier leider Fehlanzeige und obwohl Der Puppenmeister sicher ein passables Jugendbuch abgegeben hätte, finde ich ihn als Krimi für Erwachsene einfach zu fad. Mit knapp 300 Seiten ist es aber auch ein kurzweiliges Buch und durch den flüssigen Schreibstil schnell gelesen, also keine große Zeitverschwendung.
J. M. Ilves
Lebenslauf
Finnisches Nordic Noir: J. M. Ilves ist das Pseudonym zweier Finnen. Gemeinsam schreiben sie Kriminalromane im düsteren, nordischen Stil, im Stil des Nordic Noir, nach dem Vorbild anderer großer skandinavischer Romanreihen wie beispielsweise „Die Brücke“. Und genau wie ihre Vorbilder wurde auch Ilves‘ Reihe „Bordertown“ für das Fernsehen adaptiert. Und die Serie begeistert nicht nur in Finnland und Skandinavien die Massen: die Rechte wurden in über 40 Länder verkauft, sodass „Bordertown“ ein internationaler Erfolg ist.
Alle Bücher von J. M. Ilves
Bordertown – Der Puppenmeister
Bordertown – Die Abrechnung
Bordertown - Der Puppenmeister
Neue Rezensionen zu J. M. Ilves
Ein Thriller der anderen Art für Leser, die keine Stangenware erwarten.
Eigentlich will der Ermittler Kari Sorjonen Entschleunigung. Mehr Zeit für die Familie. So lässt er sich ins Hinterland versetzen. Doch die Toten, die er ohnehin nicht mag, folgen ihm. Denn kurz nach seiner Ankunft gibt es eine Tote und somit den ersten Fall.
Kari Sorjonen wirkt etwas unbeholfen im Umgang mit Menschen. Selbst seine Tochter stichelt bei jeder Gelegenheit an ihm rum. Er hat also nicht nur Schwierigkeiten mit Toten, sondern auch mit Lebenden.
Das macht ihn natürlich interessant. Und menschlich.
Der Fall selbst ist relativ einfach gestrickt und für Thrillerverhältnisse beinahe harmlos. Obwohl es natürlich Tote gibt. Ermordete. Diese beinahe Harmlosigkeit würde man nicht annehmen, zumal der Fall in Richtung Menschenhandel führt, politische Kreise nicht ausschließt und Spuren nach Russland führen.
Doch genau das widerrum hebt ihn von der Masse ab. Er knallt nicht ein, er erschlägt einen nicht mit Brutalität und doch hat er das gewisse Etwas trotz - oder genau deswegen - aller Kurzweiligkeit. Unterhaltsam zu lesen, überraschend anders, aber nichts was einen Leser erschlagen würde.
Interessanter Auftakt, allerdings mit Luft nach oben!
Lebt vor allem durch Atmosphäre und „Personal“
Dunkel-düster sind manche erotische Vorlieben. Und noch dunkler und düsterer kommen jene daher, die diese im Stillen „bedienen“.
Auch wenn die zwei „Helfer“, Fahrer und Filmer, nicht unbedingt die hellsten zu sein scheinen und nur die Ausrede haben, das Geld dringend zu brauchen, die „Nutzer“ des speziellen „Puppen-Angebots“ und der Organisator von Transport und „zur-Verfügung-stellen“ sind nicht zu unterschätzende Gegner.
Gerade in jener eher kleineren finnischen „Stadt der guten Menschen“, in der jeder jeden kennt und keiner jemanden ohne massive Gründe zu nahetreten würde.
Da trifft es sich, dass zwei auswärtige Personen sich der Stadt nähern.
Die eine ist Mutter und befürchtet das Schlimmste, nach einem merkwürdigen Anruf ihrer Tochter. Als Mitglied des sowjetischen Militärs ist diese Lena nicht nur beruflich strikt, klar und bestens trainiert, sondern auch das Herz der Mutter in ihr macht sie zu einer gefährlichen Gegnerin. Da reicht schon ein angespitzter Bleistift, um Schrecken zu verbreiten.
Vor allem aber der Polizist und analytisch hochbegabte Kari wird die Schlinge um die Täter, Entführer, Mörder, „Ausnutzer“ immer enger ziehen.
Dabei ist der Mann gerade weg aus der großen Stadt und den harten Mordermittlungen, um mit seiner schwer erkrankten und frisch operierten Frau und Tochter in dieser beschaulichen Heimatstadt seiner Frau es ruhiger angehen zu lassen.
Wobei, und das wird schnell und bestens von den beiden Autoren in Szene gesetzt, klar, dass das diesem Kari gar nicht möglich wäre. Wenn ein Fall ihn in den Bann zieht, dann verlieren sich alle Rahmungen, dann zieht es ihn unwiderstehlich hinein.
„Du bist unser Sherlock Holmes im Dienst und zu Hause Watson“.
Einer, der zähneknirschend seine Frau anrufen muss, weil er die neue Adresse einfach nicht findet auf der Rückfahrt von der Arbeit, einer, der seine Frau vor dem Kino nicht erkennt, wenn diese beim Friseur war und eine neue Jacke trägt. Aber eben auch einer, der einen fast telepathischen Blick für Menschen hat, eine Art „Gedächtnispalast“ ebenso sein eigen nennt, wie es bei den modernen Holmes Interpretationen der Fall ist und einer, der nicht locker lassen wird.
Das Personal auf allen Seiten du die teils trübe, dichte Atmosphäre, das nimmt den Leser von Beginn an auch durch den klaren Stil der Autoren gefangen. Der Fall selbst dagegen bietet nicht sonderlich viele Überraschungen und wird mit Tempo, klar und auch vorhersehbar vorangebracht.
Dennoch, gelungene Szenen, wenn Gefahr heraufzieht, eine präzise und zugleich in entscheidenden Punkten ein wenig nebulös bleibende Darstellung der Charaktere und die Verflechtungen aller in der überschaubaren Stadt bieten eine durchaus unterhaltsame Lektüre im Gesamten.
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