Rezension zu "Emphyrio" von Jack Vance
Hintergrund: Dieser Roman von Nebula- und Hugo-Award-Winner Jack Vance wurde 1969 veröffentlicht. Original englisch - auf deutsch gelesen.
Inhalt: in ferner Zukunft auf einem fernen Planeten. Der Junge Ghyl wächst in einer Gesellschaft auf, die aus 2 "Schichten" besteht: den regierenden Lords und den "Empfängern", die als Handwerker in ein sehr rigides Gildensystem mit einer dominanten Religion gezwungen werden. Daneben gibt es auch noch die Möglichkeit, ein "Nichtko" zu werden: die Nicht-Kooperation mit dem System wird nicht wirklich bestraft, ist aber für die meisten Menschen keine Option.
Ghyls Kindheit verläuft recht unauffällig, erst als Teenager entdeckt er, dass sein Vater heimlich gegen das System arbeitet. Als sein Vater auffliegt, bestraft wird, und kurz danach stirbt, ist das für den Jungen traumatisch.
Er wird - motiviert von der Legende über den Helden Emphyrio - selber zum Aussteiger. Kapert ein Raumschiff, reist durch das All, geht durch alle möglichen Höhen und Tiefen und erfährt schließlich die Wahrheit über seinen Planeten. So gelingt es ihm, die Lords zu stürzen und die Handwerker zu befreien.
Mein Lese-Erlebnis: Das erste Kapitel ist miserabel: eine Folterszene mit platten Dialogen. Ich hätte gleich wieder aufgehört, wenn nicht die Kommentare im Netz von "wonderful world-building" und toller literarischer Qualität geschwärmt hätten...
Kurz gesagt: ich hätte aufhören sollen.
Tatsächlich ist die Beschreibung von Ghyls Heimat recht gelungen (vor allem die Religion, die ihren Gott mit "Springen" verehrt ist eine besondere Idee). Literarische Qualität habe ich leider nicht entdecken können. Vielleicht ist das zum Teil der deutschen Übersetzung geschuldet, aber die langweilige Handlung und das unlogische Ende hat sich der Autor selber ausgedacht. Positiv anzumerken ist noch, dass es einen gewissen Realismus zeigt, wenn nicht alle Pläne des Helden immer gelingen - er ist überhaupt sehr oft eher ein Antiheld - ein Spielball des Zufalls und seiner Mitmenschen. Umso unrealistischer ist dann sein Wandel zum "richtigen" Helden am Ende.
Enttäuschend. Keine Lese-Empfehlung.
Leseprobe:
Kapitel Eins:
In der Kammer auf der Spitze des Turms befanden sich sechs Individuen: Drei von ihnen nannten sich "Lords", oder manchmal auch "Spender", ein armseliger Untertan, der ihr Gefangener war, iund zwei Garrion-Wachen. Die Kammer wirkte dramatisch und sonderbar: Ihre Form war ungleichmäßig, und die Wände waren mit kastanienbraunem Samt behangen. An einem Ende fiel ein Lichtstrahl durch eine Schießscharte herein. Das Licht besaß einen rauchigen bernsteinfarbenen Ton, als wäre die Scheibe staubbedeckt - was sie nicht war. Tatsächlich war das Glas kunstvoll geschliffen, so dass es bemerkenswerte Effekte erzeugte. Am gegenüberliegenden Ende des Raums befand sich eine trapezförmige Tür aus schwarzem Stahl.
Der bewusstlose Gefangene war in einen komplizierten, vielgliedrigen Rahmen gespannt worden. Man hatte ihm die Schädeldecke entfernt; auf seinem nackten Gehirn glänzte ein gelb gestreiftes Gel. Über ihm hing eine schwarze Kapsel, ein seltsam hässliches Objekt, wenn auch nur eine an sich schlichte Vorrichtung aus Glas und Metall. Die Oberfläche der Kapsel zierten ein Duzend warzenförmige Ausbuchtungen, und von jeder zuckte ein Strahl ins Gel.
Der Gefangene war ein hellhäutiger junger Mann mit gewöhnlichem Gesicht. Das Haar, das man noch sehen konnte, war gelbbraun. Stirn und Wangenknochen waren breit, die Nase stumpf, der Mund freundlich und großzügig, und der Kiefer lief in ein festes Kinn aus; es war ein Gesicht unschuldiger Unmöglichkeit.