Jakuta Alikavazovic

 4,3 Sterne bei 4 Bewertungen

Lebenslauf

Jakuta Alikavazovic, geboren 1979 in Paris, ist eine französische Schriftstellerin. Sie wurde für ihr Werk vielfach ausgezeichnet, unter anderem mit dem Prix Goncourt du premier roman. Für Wie ein Himmel in uns erhielt sie den Prix Médicis.

Quelle: Verlag / vlb

Alle Bücher von Jakuta Alikavazovic

Cover des Buches Das Fortschreiten der Nacht (ISBN: 9783960540984)

Das Fortschreiten der Nacht

(3)
Erschienen am 04.03.2019
Cover des Buches Wie ein Himmel in uns (ISBN: 9783446277649)

Wie ein Himmel in uns

(0)
Erschienen am 24.07.2023

Neue Rezensionen zu Jakuta Alikavazovic

Cover des Buches Das Fortschreiten der Nacht (ISBN: 9783960540984)
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Rezension zu "Das Fortschreiten der Nacht" von Jakuta Alikavazovic

miss_mesmerized
Jakuta Alikavazovic - Das Fortschreiten der Nacht

Das Architekturstudium in Paris bringt ihn in eine ganz neue Welt. Paul ist fasziniert und genauso wie er an der Universität alles aufsaugt, verliert er sich auch in der mysteriösen Amélia. Gerüchte umgeben sie, sie würde in einem Hotel leben und genau dort sieht er sie auch bei seinem Job als Nachtportier, der ihm das Studieren erst ermöglicht. Eine blinde Amour fou beginnt, die beide aus der irdischen Welt entfernt und nur noch den Blick aufeinander richten lässt. Einzig ihre Professorin Albers hat Zugang zu beiden, die Stararchitektin war bereits mit Amélias Mutter befreundet, die das Mädchen und ihren Vater schon vor langer Zeit verlassen hat und eine Lücke riss. Genau diese ist es auch, die Amélia schließlich von Paul wegtreibt. Es fehlt ihr etwas Unbestimmtes, das sie suchen muss, es treibt sie auch wieder zurück, denn das Band, das sie beide verbindet, lässt sich nicht so einfach kappen.


„Sie, Amélia Dehr, war eine Romanfigur und offensichtlich auch entschlossen, es zu bleiben. Und ob sie diese Figur selbst erschaffen hatte oder ob sie das Werk von jemand Anderem war, war nicht ganz sicher, blieb noch herauszufinden.“


Amélia ist eine schwer zu greifende Figur, die mich stark an André Bretons Nadja erinnert, die ebenfalls eine undefinierte Faszination ausübt und immer wieder aus dem Nichts auftaucht, nur um dann doch wieder zu verschwinden. Genauso wie die surrealistische Liebe Bretons, der klassischen Amour fou, kann in „Das Fortschreiten der Nacht“ nur exzessiv und intensiv gelebt werden, eine Art, die nicht alltagstauglich ist und von einer Frau ausgeht, die Menschen bezaubert und in ihren Bann zieht, die selbst aber nur begrenzt liebensfähig ist.


„(...) was sie schließlich später, viel zu spät, verstehen würde: Paul hatte sie geliebt und er hatte nur sie geliebt, und selbst als er sagte, dass er sie nicht liebte, als er sie nicht lieben wollte, liebte er sie immer noch. Sie war das Herz, das in seiner Brust schlug, dieses kräftige Herz, scheinbar unermüdlich, während sie, Amélia, so erschöpft war.“


Beide sind Kinder ihrer Eltern und tragen das in sich, was ihnen wissentlich oder unwissend mitgegeben wurde. Pauls einfach Herkunft, die er in jungen Jahren verschämt verbirgt, wird er später als Geschenk erkennen und in seinem Vater einen Fixpunkt sehen, der ihm viele Jahre fehlte. Amélia ist durch die Abwesenheit der Mutter geprägt, so wie diese von der Grausamkeit des Krieges angezogen wurde, sucht auch die Tochter das Unheil und nimmt es in sich auf.


Die Missglückte Liebe zwischen Paul und Amélia steht im Zentrum der Handlung, dieses singuläre Beispiel ist aber letztlich nur der Spiegel einer Gesellschaft von zerrissenen Menschen, die Kriege und Flucht erleben und sich auch ihrer Vergangenheit und jener ihrer Eltern nicht entziehen können. Wie kann mit dem, was heutige Generationen in sich tragen, überhaupt noch eine Beziehung auf Augenhöhe und frei von all diesem Ballast gelingen? Ein intensiver Roman, der vor allem durch die überzeugende sprachliche Umsetzung der Emotionen und die zirkuläre Struktur überzeugt.

Cover des Buches Das Fortschreiten der Nacht (ISBN: 9783960540984)
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Rezension zu "Das Fortschreiten der Nacht" von Jakuta Alikavazovic

nocheinbuch
Liebe in unserer Zeit, Geschichte, die nicht loslässt

Reich und vereinsamt lebt die Studentin Amélia in einem Hotel in Familienbesitz, Paul schiebt in diesem Nachtschichten als Portier, um sein Architekturstudium zu finanzieren, die Banlieue abzustreifen. Eine gemeinsame Vorlesung, dann teilen sie sich eine Mentorin, daraufhin ihre Nächte.
Doch Amélia weicht schließlich Pauls Liebe wortlos nach Sarajevo aus, sucht ihre dort verschwundene Mutter, die mit Kunst den Krieg verhindern wollte, von der ihr lediglich radikale Gedichte in einer Kiste blieben:
„Obwohl sie den Karton ihrer Mutter nicht geöffnet hatte, schien nun alles aus ihm herauszukommen, all die Entsetzlichkeiten, all die Ungerechtigkeiten. Der Karton war der Ursprung der modernen Welt – der Welt laut Amélia Dehr – und beinhaltete sie. Sie glaubte, sie wäre den Karton losgeworden: Aber er hatte die Dimension der Welt angenommen.“
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Masochistisch ihre Mutter und deren damaligen Absichten in Bosnien rekreierend, lässt sich Amélia abstrafen stellvertretend für den konfliktfreien Teil Europas, während Paul das Forschungsthema ihrer Fürsprecherin "Was stirbt in einer Stadt, die vor Angst stirbt?" zu Geld macht und von den Konsequenzen der sich ausbreitender Gewalt profitiert: unserer und auch seiner alles durchdringenden Furcht vor dem Bösen, Eindringlingen, dem Unvorhersehbaren. Eine Angst, die Paul selbst erfasst, die ihm trotz seiner Expertise persönliche Verluste einbringt.
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"Das Fortschreiten der Nacht" glänzt insgesamt mit einer drastischen Zeit- und Gesellschaftsanalyse, in der Jakuta Alikavazovic einnehmend ihre Figuren voller Mit- und Feingefühl zeichnet, vielschichtig hinter fatales Schweigen, missverstandene Sätze und selbstschützende Gleichgültigkeit blickend. Denn die eigene Lebensgeschichte bleibt unumschreibbar, die Nacht schreitet unumgänglich voran, wir fädeln immer wieder Vergangenes auf und Paul und Amélia sehen sich immer wieder.
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Ein Roman, der seine Großartigkeit auch retrospektiv weiter auffächert, mit hohem Lesefluss, welcher mich vergessen ließ, auf Seitenzahlen zu achten 

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